16/12/2024
02/12/2024
Ein Eiland zum geruh’gen Rasten
Nachdem ich in der vergangenen Woche meinen Stand auf dem Grenzhöfer Winterzauber vorbereitet habe und die letzten beiden Tage um eben diesen Stand herumgetanzt bin, freue ich mich nun auf eine ruhige Adventszeit und viele gemütliche Abende mit Tee, Kerze, Buch und der Werkstattkatze. Das Strickzeug darf auch mit von der Partie sein.
Zu dem Thema passt folgendes Gedicht, auf das ich vor einer Weile gestoßen bin. Es ist über einhundert Jahre alt, aber überraschend modern in seiner Darstellung der herumrennenden, umtriebigen Menschen, die sich paradoxerweise die ganze Zeit nur nach Ruhe und Frieden sehnen. Sind das nicht wir, besonders in der Adventszeit?
Max Hoffmanns Gedicht 'Winterabend' wurde gefunden auf der Seite Lyrikmond.
A propos Adventszeit: Wenn Sie Weihnachtsmärkte besuchen möchten, so gehen Sie lieber auf kleine Märkte. Die sind viel stimmungsvoller als die großen, allerorts angepriesenen, 'schönsten' Märkte. Denn auf die schönsten Märkte will natürlich jeder und Sie schieben sich dann an den Wochenenden als Teil einer gewaltigen Menschenmasse an Ständen vorbei, von denen Sie kaum etwas sehen können. Was dann nicht so schön ist.
Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.
20/11/2024
Grenzhöfer Winterzauber im Advent 2024
In diesem Jahr gibt es den Atelier Gry Weihnachtsmarkt-Stand analog, live und in Farbe, inklusive der Origami-Sterne und der Weihnachtskarten, am 30. November und 1. Dezember auf dem Grenzhöfer Winterzauber, Samstag 15 bis 21 Uhr und Sonntag 15 bis 20 Uhr.
Der Grenzhof ist ein idyllisch gelegener Weiler, der zu Heidelberg gehört; der Weihnachtsmarkt findet im Hotel Grenzhof statt. Hier steht, wie man hinkommt. Ich bin im Erdgeschoss der herrlichen Scheune zu finden.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Weihnachtsmärkten gibt es beim Grenzhöfer Winterzauber noch jede Menge hochwertiges Handwerk und Kunsthandwerk aller Art. Zu Essen und zu Trinken gibt es natürlich auch, und auch das ist hochwertig.
Der Grenzhöfer Winterzauber findet an allen Adventswochenenden statt, wobei die Aussteller wechseln. Mich gibt es zwar nur am ersten Adventswochenende, aber auch am zweiten, dritten oder vierten lohnt ein Besuch.
Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.
04/11/2024
WinterAusstellung 2024
in der Galerie Handwerk Koblenz
Trommelwirbel! Donnerstag kommender Woche: Große Eröffnung der diesjährigen Winterausstellung in der Galerie Handwerk in Koblenz!
Vom 14. November bis zum 20. Dezember Montags bis Samstags von 11 bis 17 Uhr in der Rizzastraße 24-26 in Kobenz. Kunst! Handwerk!! Sensationen!!!
So, und jetzt packen wir das Megaphon wieder weg und schauen uns in Ruhe an, was das Novembergrau in diesem Jahr ein bisschen aufhellt. Das hier sind meine Beiträge:
- weiße Büttenkarten mit Papierrelief
- die beliebten Reise-Engel* entweder als Weihnachtskarte mit einem Engel oder zu Dritt als Trio zum Aufhängen
- von den Lesezeichen die Ausführungen Quatrefoil, Renaissance, Wintergarten und Zickzack
- von den Notizbüchern die Ausführungen Ranken, Farbwellen, Streifen und Zickzack
- kleine Notizbücher ca. 11 x 11 cm mit Stoffeinband, Lesebändchen und 48 goldschimmernden Seiten
- alle vier Schachteln 'In memoriam Bamberger Kaliko'
- alle Patiencekartenboxen, als Sonderedition gefüllt mit Altenburger Patience-Karten
- alle Spielkartenboxen, als Sonderedition gefüllt mit Altenburger Rommé-Karten mit Leinenstruktur
- von den Schmuckboxen die Ausführungen Potpourri, Sommergarten, Wintergarten, Zickzack und Wellen
- alle Kintsugi-Boxen
- von den Stifteboxen die Ausführungen Ranken, Potpourri, Wintergarten und Zickzack
- und schließlich die sehr beliebten Sterne 'Franziska' und 'Vanda' von Carmen Sprung
Der große Stern 'Franziska' war in den letzten beiden Jahren trotz Nachlieferung ausverkauft, also kommen Sie zeitig und sichern Sie sich die schönsten Stücke!
* Reise-Engel heißen so, weil sie gern per Post zu allen Ihren fernen Freunden und Verwandten reisen, und das mit Standard-Briefporto.
Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.
21/10/2024
De glutinum von der Rolle: Klebebänder
In meinem allerersten Bastelbuch*, das ich schon hatte, bevor ich überhaupt lesen konnte, steht zum Thema Klebebänder: "Ihr wisst, wie sie einen ärgern können, weil sie oft viel zu rasch irgendwo festkleben." Das ist nur zu wahr!
Generell gilt ja: Je mehr Wasser in einem Klebstoff ist, desto leichter und länger lässt sich die Klebung korrigieren. Wie wir schon gesehen haben, kann man mit Kleister verklebtes Papier sehr lange und mühelos neu positionieren. Bei Tesafilm & Co. geht das überhaupt nicht, es sei denn, man hat ein wieder ablösbares Klebeband.
Wenn überhaupt, so wird Tesafilm in der Buchbinderei nur dazu verwendet, einen flotten Spruch an die Kühlschranktür zu kleben. Es wird niemals, niemals, niemals zur Buchreparatur verwendet! (Und das sollten Sie auch nicht tun.) Warum? Solche Klebefilme sind nur zum zeitlich begrenzten Zusammenkleben von relativ wertlosen Materialien gedacht, zum Beispiel beim Verpacken von Geschenken in Geschenkpapier. Gewöhnliche Klebefilme altern schnell. Wieder ablösbare Varianten können schon nach ein paar Wochen einen Schatten auf dem Papier hinterlassen, wo sie geklebt haben. Ursprünglich dauerhaft klebender Film löst sich nach einigen Jahren ab und hinterlässt hässliche Flecken auf dem Untergrund. Deshalb verwenden Profis Klebebänder in Archivqualität, beispielsweise filmoplast. Archivqualität bedeutet, dass das Band säurefrei ist und weder altert noch das Material beschädigt, auf dem es klebt. Filmoplast gibt es in Spezialgeschäften und natürlich online (einfach die Suchmaschine fragen). Es gibt unterschiedliche Stärken und Größen, von dünnem filmoplast P zum Ausbessern eingerissener Papierseiten bis zu dem schweren Textilklebeband filmoplast T.
Wenn Sie schon von Scrapbooking gehört haben oder es sogar selbst praktizieren, wissen Sie, dass auch dort Archivqualität ein großes Thema ist. Alles, was verarbeitet wird, sollte säurefrei und alterungsbeständig sein und die verwendeten Fotos nicht beschädigen. Denn man will ja Erinnerungsalben herstellen, die auch zukünftige Generationen noch bewundern können. Man kann von Scrapbooking halten, was man will (ich halte es für eine Gelddruckmaschine), aber seit es das gibt, kann man in wirklich jedem Bastelgeschäft ganz einfach Materialien in Archivqualität kaufen und muss nicht mehr zum Spezialisten: Zum Beispiel säurefreies doppelseitiges Klebeband.
Doppelseitiges, säurefreies Klebeband wird im Gegensatz zu Tesafilm in der Buchbinderei oft und gerne verwendet – wenn auch nicht von allen. Wenn man relativ kleine Stücke Papier schnell, dauerhaft und ohne Zufuhr von Feuchtigkeit an Papier oder Pappe ankleben möchte, ist dieses Klebeband das Mittel der Wahl. Man sollte nur darauf achten, ein Klebeband in guter Qualität zu verwenden und es in einer verschlossenen Tüte lagern, denn das Band zieht Staub und Flusen an, die dann an der Rolle festkleben.
Auch doppelseitiges Klebeband kann einen ärgern, weil es oft viel zu rasch irgendwo festklebt. Aber dagegen gibt es einen Trick, den ich einst in einem britischen Buch gefunden habe und der aus einer Zeit stammt, da die Mediengestalter noch mit Papier und Klebeband gearbeitet haben. Will man beispielsweise ein Papierschildchen ankleben, so bringt man auf dessen Rückseite vier Streifen doppelseitiges Klebeband entlang der Kanten an und zieht das Trägerpapier von jedem Streifen etwa zur Hälfte ab. Die lose Hälfte knickt man so um, dass sie über die Kante heraussteht. Jetzt kann man das Schildchen umdrehen und in Ruhe positionieren und geraderücken, ohne dass es gleich festklebt. Wenn alles gut sitzt, ein Trägerpapier nach dem anderen am überstehenden Ende fassen und abziehen. Dabei das Schildchen gut festhalten, damit sich nichts verschiebt. Das funktioniert mit einiger Übung wunderbar!
Ein weiteres Helferlein in der Buchbinderei ist Kreppband (Malerkrepp, neudeutsch auch masking tape). Da es sich leicht und ohne den Untergrund zu beschädigen wieder ablösen lässt, macht es sich nützlich beim temporären Befestigen, Zusammenhalten und Markieren von Material. Mit Betonung auf 'temporär', denn genau wie Tesafilm & Co. altert auch normales Kreppband schnell und entwickelt dann ziemlich hässliche Eigenschaften. Ich habe einmal zu Dekorationszwecken ein Fenster mittels Malerkrepp in ein Sprossenfenster verwandelt. Der Effekt hat mir so gut gefallen, dass ich das Kreppband viele, viele Wochen auf der Scheibe habe kleben lassen. Weitaus weniger gut hat es mir gefallen, dass das Kreppband nach dieser Zeit überhaupt nicht mehr abging und ich jeden einzelnen Zentimeter mühsam mit dem Messer von der Scheibe kratzen musste!
Um die Klebstoffgeschichten nun würdig abzuschließen, hier noch ein letzter Tipp, der so offensichtlich ist, dass man selbst hätte draufkommen können: Wer kleine Stücke schwächer klebenden Kreppbands für besonders empfindliche Untergründe benötigt, kauft keine spezielle Rolle sondern nimmt normales Kreppband, klebt es auf seine Jeans oder einen anderen robusten, nicht-fusselnden Stoff und zieht es wieder ab. Voilà, Kreppband für empfindliche Untergründe!
*Ulla Leippe, Was Kinder gerne basteln, Humboldt-Taschenbuchverlag, München, 1971, Zitat auf Seite 113
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07/10/2024
Staatspreis Baden-Württemberg 2024:
And the winner is ...
Einmal alle zwei Jahre ist in Baden-Württemberg einen Abend lang das Kunsthandwerk so richtig wichtig und wird gebührend gefeiert. So mit Ansprachen, Schlipsträgern und Blumensträußen. Dieses Jahr war es am 27. September soweit. Alles, was Rang und Namen hat (und meine Wenigkeit) traf sich in Kornwestheim zur feierlichen Staatspreis-Verleihung und Eröffnung der Landesausstellung.
Wir wussten schon, das es sechs Nominierte gab und zwei bereits feststehende Preisträgerinnen: Birgitta Voigt hatte den Förderpreis und Steffi Schneider den Handwerkspreis gewonnen. In der Mediathek des Ministriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus können Sie Bilder der nominierten bzw. preisgekrönten Werke sehen.
Und dann war es soweit. The winner is: Die Mannheimer Schmuckkünstlerin, Bildhauerin und Zeichnerin Felicia Mülbaier für ihr Werk 'Talismane 2024', die Keramikkünstlerin Heide Nonnenmacher aus Nattheim für das Objekt '#ZeitRaum' und der Schreinermeister Stefan Broszeit aus Gomaringen für die Haubendose 'R 885'.
Nachdem den Gewinnern tüchtig applaudiert wurde, ging es dann endlich in die Ausstellung. Da kam man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Hier sind meine Favoriten, wobei ich nicht explizit die Gewinner fotografiert habe - das können die Profis besser. Ein Staatspreis ist aber doch dabei.
katja_liebig_paperart
merry go round
Papier, Pappe, Klebstoff
katja_liebig_paperart
Roundabout (Dose mit zwei Einsätzen und Deckel)
Pappe, Papier, Karton, Transparentpapier
www.ideenreich-atelier.de
verschachteln V und VI
Pappe, Buntpapier, Nieten
www.martinakaehlig.de
Lichtobjekt: Literaturleuchte
Papier, Nähgarn, Holzleim
www.designs-hartmann.de
Hängeleuchte CUP und Wandobjekt PLAT
Nylon-Seil, Leuchtmittel
www.sigmund-servetti.de
Oolong-Teeset
Porzellan, Kupferseladonglasur
www.mareike-lemke-holzbildhauerin.de
"it's teatime"
Acht verschiedene Hölzer, Eisenplatte
www.schnitz-kunst-orgelbau.de
Marionetten 'Hannes' und 'Bürgermeister'
Holz, Stoff, Acrylfarbe, Hartöl
www.linum-handweberei.de
Tafelservietten und Tischläufer
Leinen, Baumwolle (GOTS-zertifiziert)
remstal-werkstaetten.diakonie-stetten.de
Kissenhüllen in Farbfülle
Baumwolle, Füllung: Enten- und Gänsedaunen
www.broszeit-holz.de
R 885
Zwetschge, Aluminium, Filz
Und wenn Sie wissen wollen, wie meine 'The Sixteen' und 'Elemente' in der Ausstellung aussehen: Hier sind sie.
Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.
23/09/2024
Landesausstellung zum Staatspreis Kunsthandwerk BW 2024 - und Atelier Gry mittendrin!
Jetzt ist es bald soweit! An diesem Freitag findet um 19 Uhr in Kornwestheim die feierliche Vergabe des Staatspreises 2024 statt. Wer von den sechs Nominierten wird wohl das Rennen machen?
Anschließend wird die Landesausstellung zum Staatspreis 2024 eröffnet, die vom 28. September bis 17. November 2024 läuft.
Mitten im Feld der Ausstellerinnen und Aussteller, die 'nur' für die Landesausstellung ausgewählt wurden, kann ich am Freitag die Preisverleihung entspannt verfolgen. So die Technik diesmal mitspielt, gibt es im nächsten Blogbeitrag auch Fotos von meinen Lieblingsstücken. Zur Einstimmung kann ich schon einmal meine beiden Exponate vorstellen.
Im vorletzten Blogbeitrag habe ich Ihnen meine Stücke zu Ehren der Bamberger Kaliko vorgestellt. Hier ist nun das größte und beste Stück der Reihe: The Sixteen.
Eine diagonale Bewegung von dunkel nach hell, jede Farbe trägt die folgende bereits in sich: Die Dunkelheit gebiert das Licht. Die hellste Farbe trägt wiederum die dunkelste in sich: Das Licht gebiert die Dunkelheit, ein ewiger Kreislauf.
Sechzehn Boxen in einem Schattenfugenrahmen, aus dem sie einzeln entnommen und nach Wunsch auch neu angeordnet werden können. Das Objekt kann zur Aufbewahrung dienen, muss es aber nicht. Ob man es Hängen, Stellen oder Legen möchte, steht ebenso frei.
Inspiriert wurden 'The Sixteen' von Heinz Macks 'Großer Silberstehle' von 2020 und natürlich von den Plastischen Einheiten von Viktor Vasarely.
Sechzehn Boxen aus 2 mm-Buchbinderpappe mit Bucheinbandgewebe bezogen und gefüttert. Versehen mit Wickelhüllen nach Art einer japanischen hako chitsu Bücherschachtel, mit versenktem Magnetverschluss. Die Wickelhüllen sind bezogen mit Bucheinbandgewebe ('Iris' von der Bamberger Kaliko) und gefüttert mit japanischem Chiyogami. Auf der Deckelpartie der Wickelhüllen ein Relief als Variation über die Plastische Einheit von Victor Vasarely (ein Quadrat, in das jeweils mittig eine geometrische Figur eingefügt ist). Wickelhülle und Box-Boden haben eine Farbe, die Box selbst eine andere. Farben aus dem blau-grünen Spektrum wurden so gewählt, dass sich bei entsprechender Anordnung im Schattenfugenrahmen ein Verlauf von dunkel nach hell ergibt, wobei jede Hülle mit einer Box in der darauf folgenden Farbe kombiniert wurde.
Der (fertig gekaufte) Rahmen aus unbehandeltem Lindenholz ist mit einer mit Satogami bezogenen Rückwand versehen. In der Rückwand befinden sich sechzehn Magnete, die die Boxen halten.
Das sind 'Elemente', mein zweites Exponat. Vier Elemente: Wasser, Erde, Feuer, Luft. Acht Boxen: Alle verschieden und doch ähnlich. Betrachter und Betrachterinnen sind eingeladen, Zusammenhänge zu entdecken und eigene Assoziationen zu entwickeln.
Vier Objektrahmen mit je zwei Boxen, die abgenommen und auch getauscht werden können. Man kann Dinge darin aufbewahren, muss es aber nicht. Ob man die Gruppe Hängen, Stellen oder Legen möchte, steht ebenso frei.
Inspiriert wurden 'Elemente' von den Plastischen Einheiten von Viktor Vasarely und vom Nachdenken über das kunsthandwerkliche Potenzial der Schachtel: Ist sie nichts weiter als ein Behältnis für einen anderen Gegenstand und muss sich diesem in Form und Ausführung unterordnen? Bemisst sich ihr Wert nach ihrem Inhalt oder kann sie einen eigenen Wert und eine künstlerische Aussage haben?
Eine Gruppe aus vier Objektrahmen mit je zwei Boxen mit Wickelhülle. Die Boxen aus 2 mm-Buchbinderpappe sind mit japanischem Chiyogami oder fair gehandeltem Lokta-Papier aus Nepal bezogen und gefüttert, mit Böden aus Viskose-Filz. Versehen mit Wickelhüllen nach Art einer japanischen hako chitsu Bücherschachtel, mit versenktem Magnetverschluss. Die Wickelhüllen sind bezogen mit verschiedenen Bucheinbandgeweben (alle von der Bamberger Kaliko!) und gefüttert mit Chiyogami oder Lokta. Auf der Deckelpartie der Wickelhüllen halb eingelassene geometrische Figuren (ebenfalls mit Chiyogami oder Lokta bezogen).
Die (fertig gekauften) Rahmen aus unbehandeltem Buchenholz/Sperrholz sind jeweils mit einer mit Satogami bezogenen Platte versehen. In der Platte befinden sich zwei Magnete, die die Boxen halten.
Wenn Sie Lust bekommen haben, selbst nach Kornwestheim zu kommen und die Landesausstellung zu sehen, finden Sie auf der Staatspreis-Seite des BdK alle nötigen Informationen, inklusive einem Link zum gesamten Rahmenprogramm und einer Liste aller Aussteller*innen - mit mir mittendrin.
Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.
20/09/2024
Nochmals Klimastreik bei Atelier Gry
An Weser, Saar und Donau – in dichter Taktung haben Jahrhunderthochwasser in Deutschland die ersten Monate des Jahres geprägt. Auch weltweit nehmen Wetterextreme rasant zu. Neben den katastrophalen Folgen für Mensch und Natur gehen damit auch volkswirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe einher.
Es ist absurd, dass Parteien umso stärker gegen den Klimaschutz vorgehen, je spürbarer die Klimakrise wird. Maßnahmen wie das Verbrenner-Aus und die Wärmewende werden blockiert. Das lähmt die Klimapolitik der Bundesregierung und der EU. Statt Verunsicherung für Wirtschaft und Bevölkerung zu schüren, muss die Politik sozial gerechten Klimaschutz entschlossen umsetzen.
Text © 2024 Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V.
Aber auch die Medien sind meiner Meinung nach in der Pflicht. Mit dem Zurückgehen der Pegelstände verschwindet auch das gerade aktuelle Hochwasser wieder aus den Schlagzeilen. Aber der Klimawandel lässt sich weder wegignorieren noch wegdiskutieren.
Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.
09/09/2024
In memoriam Bamberger Kaliko
Der Textilhersteller Bamberger Kaliko war bis zu seiner Insolvenz und Einstellung des Geschäftsbetriebs Ende November 2022 eines der weltweit bedeutendsten Hersteller für Bucheinbandstoffe, die alle (nach eigenen Angaben) sorgfältig und umweltverträglich in Bamberg (Franken) hergestellt wurden. Das Sortiment konnte sich sehen lassen: Eine Produktübersicht Stand Ende 2011 enthält neun beschichtete und acht unbeschichtete Sorten Einbandstoff in einer breiten Farbauswahl, darunter die bekannteste Sorte 'Iris' in sage und schreibe 59 Farben. Da ließ sich für wirklich jedes Schmuckpapier ein dazu harmonisches Einbandgewebe finden.
Aber das ist leider seit zwei Jahren Geschichte. Zum Glück hat sich 'mein' kleiner Großhändler noch rechtzeitig mit Restbeständen eingedeckt, so dass der Nachschub für ein paar Jahre gesichert ist, wenn auch schon die ersten Farben ausverkauft sind.
Zur Erinnerung an die Bamberger Kaliko wollte ich eine Reihe von Schachteln anfertigen, die nur mit Einbandgewebe bezogen sind und die große Vielfalt der Stoffe feiern. Normalerweise spielt bei meinen Schachteln mit Wickelhülle das prächtige Chiyogami die Hauptrolle und Einbandgewebe ist nur harmonische Unterstützung. Hier sollte aber das Gewebe im Mittelpunkt stehen. Für die Gelenke der Wickelhülle braucht es aber dennoch ein starkes, langfaseriges Futterpapier. Ich habe mich für das visuell zurückhaltendere Lokta-Papier entschieden, das dem Gewebe nicht die Show stiehlt.
Als Erstes sehen Sie eine Schachtel mit Wickelhülle im Format einer Schmuckbox und eine weitere Schachtel im Format einer Stiftebox. Beide sind mit dem Einbandgewebe 'Iris' in Lilagrau und Extravagant bezogen. Das dunkle Extravagant findet sich auf der inneren Box und das hellere Lilagrau bezieht die Hülle außen und kehrt als Box-Boden im Inneren wieder. Das Futterpapier ist hellgrau mit silbernen Punkten und wirkt wie reines Licht, hier am Beispiel der Stiftebox gesehen. Passend dazu gibt es auf dem Deckel jeweils ein silbernes Knotenornament.
Als Nächstes zwei Schachteln im Format der Visitenkartenbox, bezogen mit den seidig-glänzenden Stoffen der Bamberger Kaliko. Diese bestehen aber, genau wie 'Iris', aus 100% Viskose. Die linke Schachtel trägt 'Kolibri' im Farbton 'Velvet Rose', die rechte 'Honan' in einem satten dunklen Beerenton. 'Kolibri' ist glatter Seide nachempfunden, während 'Honan' in der unregelmäßigen Optik der Wildseide glänzt. Beide haben ein Futter aus Lokta-Papier mit Shippoumon und auf dem Deckel ein goldenes Ornament. Wenn Sie je in Glasgow waren, haben Sie das bestimmt schon einmal gesehen: eine Rose, entworfen von Charles Rennie Mackintosh (1868-1928).
Das beste und größte Stück zu Ehren der Bamberger Kaliko kann ich Ihnen leider noch nicht zeigen, denn es befindet sich in Kornwestheim, wo die Landesausstellung zum Staatspreis Kunsthandwerk 2024 vom 28. September bis 17. November 2024 im Museum im Kleihues-Bau präsentiert wird. Und zwei der Exponate sind von mir! Dazu aber in vierzehn Tagen mehr.
Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.
05/08/2024
Sommerpause
Die Sommerpause naht. Eigentlich wollte ich im letzten Blogbeitrag vor der Pause die neuen Schachteln 'In memoriam Bamberger Kaliko' zeigen, aber ihnen fehlt noch der letzte Schliff. So werde ich sie denn am 9. September präsentieren, wenn es hier im Blog weitergeht.
In die Sommerpause fällt auch mein Sommerurlaub. Was macht eine Buchbinderin im Urlaub? Stricken! Lesen! Und all die Dinge, die ich sonst nicht machen kann, beispielsweise unter der Woche am Vormittag auf der Terrasse sitzen, wenn es noch schön kühl ist.
Aber vor dem Urlaub muss ich noch einige Arbeiten fertig machen, weswegen ich mich schon einmal verabschiede: Genießen Sie den Rest vom Sommer!
Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.
22/07/2024
De glutinum Leim und Dispersionsklebstoff
Früher hat es in den Buchbindereien ganz charakteristisch gerochen (manche behaupten sogar, es hat gestunken). Das kam vom Leimtopf, der auf einer Warmhalteplatte auf seinen Einsatz gewartet hat. Darin war ein Glutinleim, meistens Knochenleim, und der war genauso unvegan, wie er sich anhört.
Über Knochenleim gibt es die tollsten Anekdoten, beispielsweise wie sich die Leute damit regelmäßig, aber unfreiwillig, die Finger zusammengeklebt und die Kleidung versaut haben. Auch gab es Buchbinderschürzen, an denen man sich die Finger abwischen konnte, die dann nach einer Weile von den Leimspuren so steif wurden, dass sie von alleine stehen konnten. All das habe ich allerdings nie selbst erfahren, denn ich wollte vegan arbeiten, und da kommt keinerlei Glutinleim in Frage.
Glutinleime gibt es schon sehr, sehr lange. Vermutlich haben bereits die alten Sumerer* aus Tierhäuten Leim produziert. Im Alten Ägypten wurde er in der Möbelherstellung verwendet, ebenso bei den Alten Griechen und Römern. Im Mittelalter haben die glutinatores damit gearbeitet (das waren die Buchbinder in den Klöstern), und im Musikinstrumentenbau ist er bis heute unverzichtbar. Eigentlich überall, wo es etwas zu kleben gab und die Klebkraft von Kleister nicht ausreichte, kam bis in die 1950er Jahre der Glutinleim zum Einsatz. Dann wurde Dispersionsklebstoff erfunden, der sehr viel einfacher zu verarbeiten ist.
Glutinleim kauft man in Form von Granulat, das erst einmal über Nacht in Wasser eingeweicht werden muss. Am nächsten Tag muss man den Leim erhitzen (aber nur bis 65 Grad) und warmhalten, denn er lässt sich nur in warmem Zustand verarbeiten. Das ist vergleichsweise umständlich, bringt aber Vorteile, die besonders bei Restaurierungen und – wie gesagt – im Musikinstrumentenbau geschätzt werden. Zum einen ist Glutinleim frei von Kunststoffverbindungen und hält auch ohne Konservierungsstoffe ewig. Es sind keine Lösungsmittel darin, der Leim ist pH-neutral und zu 100% biologisch abbaubar. Zum anderen klebt der Leim dauerhaft und stark. In den Pharaonengräbern hat man verleimte Holzmöbel gefunden, die heute immer noch halten. Und was das Wichtigste ist: Die Klebeverbindungen sind reversibel und lassen sich auch nach hunderten von Jahren ohne Schaden wieder lösen, einfach durch Anfeuchten und Erwärmen.
Wenn man sich anschaut, aus was dieser Leim besteht, wird klar, warum er so naturnah ist. Unter dem Oberbegriff Glutinleim werden zusammengefasst: Kochenleim (meistens aus Schweineknochen), Hautleim (aus Tierhäuten), Hasenleim (aus den Häuten von Hasen und Kaninchen), den schon aus der letzten Klebstoffgeschichte bekannten Fischleim (aus Fischgräten und -haut) und – der Kaviar unter den Glutinleimen – Hausenblasenleim aus der Schwimmblase des Beluga-Störs. Die Verwendung dieser Leime ist keineswegs auf die Musik-, Kunst- und Kunsthandwerkersphären begrenzt. Für mich überraschend war, dass Zündköpfe von Streichhölzern Hautleim als Bindemittel enthalten. Streichhölzer sind also nicht vegan.
Während die Traditionalisten und Restauratoren unter den Buchbindern immer noch mit Glutinleimen arbeiten, sind die meisten anderen auf wasserbasierte Dispersionsklebstoffe umgestiegen. Diese sind ein Produkt der Petrochemie, also erdölbasiert, was ich in diesem Fall akzeptabel finde, denn die Alternative wäre einer der gerade genannten Leime aus tierischen Nebenprodukten unbekannter Herkunft und ebenso unbekannten – und möglicherweise untragbaren – Haltungsbedingungen.
Für die Buchbinderei geeignete Dispersionsklebstoffe sind PVA- und EVA-Klebstoffe. PVA steht für Polyvinylacetat. PVA-Kleber klebt stark, bleibt nach dem Trocknen flexibel, ist sowohl für die manuelle als auch für die maschinelle Verarbeitung geeignet und sehr einfach anzuwenden: Deckel auf, umrühren, gegebenenfalls mit destilliertem Wasser verdünnen und auftragen. PVA-Kleber gibt es als 'normalen' Bastelleim, Profi-Buchbinderleim (ich habe Planatol BB), Holzleim (z.B. Ponal, der sich aber nur für Holz und nicht für das Buchbinden eignet, da er beim Trocknen zu unflexibel wird**) und, speziell für Restauratoren, reversiblen (lösbaren) PVA-Kleber.
Manche finden, dass PVA-Kleber ein bisschen chemisch müffelt. Denen empfehle ich EVA (Ethylen-Vinylacetat)-Kleber, der von Restauratoren bevorzugt wird, weil er keine Dämpfe emittiert, pH-neutral ist und genauso stark klebt und flexibel bleibt wie PVA-Kleber. Wenn Sie den einmal ausprobieren möchten: UHU Bastelkleber lösungsmittelfrei in der 90g Standtube hat eine Ethylen-Vinylacetat-Basis und ist problemlos im Supermarkt erhältlich.
Dispersionsklebstoffe benutzt man in der Buchbinderei zum Ableimen des Buchrückens, zum Kleben von Pappe auf Pappe beim Schachtelbau, für die Klebebindung und überall, wo eine starke Klebkraft gebraucht wird. Wer keinen reversiblen Klebstoff hat, muss aber aufpassen, dass der Klebstoff nicht auf dem Pinsel eintrocknet. Getrockneten Dispersionsklebstoff bekommt man schwer bzw. gar nicht wieder herausgewaschen. Da Dispersionsklebstoffe zwar farblos aber glänzend trocknen, sind auch eventuelle Kleckse auf dem Werkstück später so richtig schön auffällig und sollten daher sofort mit einem feuchten Lappen, Schwammtuch oder Ähnlichem abgewischt werden.
*Exkurs: Es ist erstaunlich, was die Sumerer alles erfunden haben. Von der Schrift und Arithmetik über Seife, heiße Würstchen und Bier, die Bürokratie bis hin zu künstlicher Bewässerung (und den daraus resultierenden Problemen) ist vieles dabei, was auch heute noch Teil unseres Lebens ist. Vielleicht haben die Sumerer das alles auch nicht selbst erfunden, aber sie waren die ersten, die davon schreiben konnten, so dass man es Jahrtausende später noch nachlesen kann. Vorausgesetzt, man kann Keilschrift lesen. Ja, frühe Hochkulturen sind spannend!
**Noch ein Exkurs: Ich habe schon in der letzten Klebstoffgeschichte geschrieben, dass grundsätzlich der Klebstoff der richtige ist, mit dem man gut arbeiten kann und der einem vertraut ist. In ihrem Buch 'Bücher binden' (2021, Haupt Verlag Bern) schreibt die schwedische Buchbinderin Monica Langwe beispielsweise, dass sie mit einem Holzleim arbeitet, obwohl es natürlich auch in Schweden Profi-Buchbinderleime gibt. Aber diesen speziellen Holzleim kennt sie seit ihrer Ausbildung, er ist leicht zu bekommen, funktioniert für sie und passt zu ihrer Arbeitsweise. Never change a winning team.
Woher ich das alles weiß:
In mittlerweile 13 Jahren Erfahrung mit Buchbinden habe ich so einiges an Wissen angesammelt. Zusätzlich habe ich für diesen Beitrag folgende Quellen konsultiert, wo es auch weiteres Hintergrundwissen für Interessierte gibt.
Allgemeine Übersicht über Glutinleime: https://de.wikipedia.org/wiki/Glutinleim
Für Laien sehr chemielastige Ausführungen über Dispersionsklebstoffe: https://de.wikipedia.org/wiki/Klebstoff#Dispersionsklebstoffe
Mehr zu den unterschiedlichen Glutinleimen, die man auch dort kaufen kann:
https://www.antikebeschlaege.eu/restaurierbedarf/leime/natuerliche-leime/
https://knochenleim.de/Was-sind-Glutinleime/
https://www.feinewerkzeuge.de/G10008.html
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08/07/2024
Aufgeräumte Galerien
Meine Galerie der Schachteln und die Galerie der Bücher konnten wieder einmal ein Aufräumen vertragen. Und da sich Regentage mit schlechtem Licht für die Computerarbeit anbieten, habe ich aufgeräumt und auch das Layout für die einzelnen Posten so geändert, dass sich verkaufte Exponate leichter kennzeichnen und austauschen lassen.
Die Galerie der Schachteln ist auch schon fertig. Leider herrscht mittlerweile wieder bestes Wetter mit idealem Buchbindelicht und ich muss noch die Galerie der Bücher fertig aufräumen. Weswegen ich hier auch nicht mehr viele Worte verliere und mich wieder an die Arbeit mache.
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24/06/2024
Buchbinder-Kintsugi
Anfang Mai habe ich Ihnen Kintsugi vorgestellt, die japanische Art, zerbrochene Keramik mit Gold zu reparieren. Und ich habe erwähnt, dass ich mehrere Prototypen einer neuen Reihe von Boxen zu Ehren der Bamberger Kaliko mit Hilfe der Kintsugi-Idee aufwerten und zu einer eigenen Reihe weiterentwickeln wollte.
Hier sind sie nun: meine Kintsugi-Boxen!
Da es sich hier nicht um zerbrochene Keramik handelt, gibt es keine goldenen Fugen, aber ich bin beim Gold geblieben. Goldenes Chiyogami deckt hier entweder Unperfektheiten ab oder schafft ein visuelles Gleichgewicht. Dazu einen Deckel mit Griff und eine goldene Plattform.
Die Boxen scheinen zu schweben. Das Geheimnis ist ein zurückgesetzter Fuß.
Wer (außer den Leserinnen und Lesern dieses Blogs) käme auf die Idee, dass es sich hier um Reparaturen handelt?
Hier noch schnell die technischen Daten: gefügte Box mit Gewebe bezogen und gefüttert, Kintsugi-Elemente und Boden aus Chiyogami, abhebbarer Flachdeckel mit Griff außen und Moosgummi innen, auf einer Plattform mit zurückgesetztem Fuß. Die Materialien sind Callos Buchbinderpappe (2 mm), Bamberger Kaliko Iris in Rauchblau und Malachit, drei verschiedene Chiyogami mit traditionellen Mustern in Schwarz und Gold, schwarzes Moosgummi (3 mm).
Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.
10/06/2024
Tag des Heiligen Columban 2024
Zum gestrigen Tag des Heiligen Columban von Iona, Schutzpatron der Buchbinder*innen, wünsche ich allen allzeit frohes Schaffen! Mehr zum Heiligen Columban finden Sie bei Bedarf in diesem älteren Blogbeitrag.
In diesem Jahr fiel Columban also auf einen Sonntag. Sonntage sind bei jedem Wetter ideal zum Lesen geeignet. Sehen Sie mal, wer es sich hier gemütlich gemacht hat!
Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.
27/05/2024
De glutinum Kleister
In der letzten Klebstoffgeschichte haben wir gesehen, dass wasserhaltiger Klebstoff auf Papier dazu führt, dass man sich plötzlich mit der Laufrichtung, der Dehnung und dem Zug von Papier auseinandersetzen muss. Warum verwendet man dann überhaupt Kleister & Co. und nimmt nicht einfach Klebestift, Alleskleber oder Sprühkleber? Nun, tatsächlich kennen Profis Situationen, in denen es nichts besseres gibt als Kleister.
Buchbinder haben schon immer mit Kleister gearbeitet, denn er ist leicht verfügbar und unschlagbar billig. Man kann ihn aus gewöhnlichem Stärkemehl und kochendem Wasser sogar selbst herstellen. Wer nicht seinen eigenen Kleister kochen möchte, kann heutzutage Kleisterpulver aus Weizenstärke oder Methylcellulose zum Anrühren in kaltem Wasser kaufen, was nur einen Bruchteil von dem kostet, was man für andere Klebstoffe bezahlen muss. [Eine Anmerkung: Kleisterpulver aus Weizenstärke gibt es u. a. von der Schweizer Firma blancol als Fisch-Kleister. Der heißt aber nur so; vermutlich weil man beim Hersteller mit Sitz direkt am Zürichsee dachte, das sei doch ein hübscher passender Name. Wer vegan arbeiten will, muss hier aufpassen, denn es gibt auch einen Fischleim (engl. fish glue), der sehr wohl aus Teilen von Fischen gemacht wird.]
Neben der Tatsache, dass er die Werkstattkasse schont, hat Kleister aber auch Vorteile in der Verarbeitung. Er lässt sich mit dem Pinsel sehr leicht dünn und gleichmäßig verstreichen, auch auf großen Flächen und auf sehr dünnem Papier. Eventuelle Flecken kann man einfach mit einem feuchten Lappen spurlos abwischen. Übersehene Flecken trocknen farblos und vor allen Dingen matt auf, fallen also nicht so auf. Später lässt sich eine Klebung mit Kleister jederzeit wieder lösen, einfach mit Wasser. Kleister trocknet langsam und es dauert eine Weile, bis er anfängt, eine feste Verbindung zwischen den geklebten Materialien zu erzeugen. Das heißt, man kann in aller Ruhe sein Papier positionieren. Sitzt es doch nicht richtig, kann man es sogar ohne Schaden gleich wieder abziehen und neu aufkleben. Das ist nicht nur beim Tapezieren von Vorteil. Auch Buchbinder schätzen es, viel Zeit zu haben, um ein auf ein Stück Pappe geklebtes Papier glattzustreichen, um die Pappkante zu schlagen und schöne Ecken zu machen. Man muss nicht befürchten, dass der aufgetragene Kleister eintrocknet, bevor man fertig ist.
Klebestift, Alleskleber oder Sprühkleber können das nicht leisten. Alleskleber lässt sich nicht gut verstreichen, stinkt dabei und trocknet zu schnell. Ein Klebestift gibt einem nach dem Auftragen ganze 45 Sekunden bis der Kleber aushärtet (siehe technisches Dokumentationsblatt hier). In dieser Zeit kann man vielleicht Etiketten ankleben, aber nicht viel mehr. Und Sprühkleber ist meines Wissens überhaupt nicht für das Buchbinden geeignet, verursacht Kopfschmerzen und Übelkeit und lässt sich nicht punktgenau auftragen.
Aber natürlich hat Kleister neben den unbestreitbaren Vorteilen auch eine ganze Reihe von Nachteilen, der hohe Wassergehalt beispielsweise. Mit Kleister geklebte Stücke sind sehr feucht und müssen lange trocknen. Verwendet man Kleister beim Verbinden der Einbanddecke mit dem Buchblock, muss man gut aufpassen, dass die Feuchtigkeit nicht in den Buchblock dringt, denn sonst gibt es Wellen oder gar Wasserränder.
Kleister ist ein naturnahes Produkt. Das ist zwar gut für die Umwelt, aber er hält nicht lang. Besonders selbst gekochter Kleister wird schnell schlecht. Im Kühlschrank ist er abgedeckt etwa 2 Wochen haltbar. Und es gibt da gewisse Tierchen, die finden getrockneten Stärkekleister einfach lecker.
Die Klebkraft von Kleister ist eher auf der schwachen Seite. Stärkekleister eignet sich gut für dünnes Papier, das Verkleben von stärkerem Papier erfordert schon eine Beimischung von Dispersionskleber. Reine Methylcellulose klebt noch etwas schwächer. In der Buchbinderei verwendet man Methylcellulose darum gar nicht zum Kleben, sondern zum Füllen von Unebenheiten, zur Herstellung von Kleisterpapieren und zum Aufweichen von wasserlöslichen alten Kleberesten, Etiketten usw. Methylcellulose ist ideal dafür geeignet, da sie viel Wasser enthält, das nur sehr langsam abgegeben wird. Angerührte reine Methylcellulose wird nach ein paar Monaten schlecht, weswegen man keine großen Mengen vorbereiten sollte. Ich empfehle immer nur ein kleines bis sehr kleines Schraubglas voll anzurühren (mit destilliertem Wasser, leicht erhältlich z.B. beim dm-Markt) und das verschlossene Glas mit Datumsetikett im Kühlschrank aufzubewahren.
Wenn Sie nun wissen möchten, mit welchem Kleister ich arbeite: Ich persönlich verwende gar keinen Kleister – er ist mir einfach zu nass. Bei allen Arbeiten, bei denen Papier oder Buchgewebe aufgeklebt wird, benutze ich mit etwas destilliertem Wasser verdünnten Planatol Elasta N. Das ist ein Profi-Buchbinderleim, der einer Mischung aus Kleister und Dispersionskleber entspricht. Bei sonnigem Hochsommerwetter muss man sich damit etwas beeilen, aber ansonsten klebt er ausgezeichnet, lässt sich leicht verstreichen, wird nicht schlecht, zieht keine Insekten an und die Klebung bleibt flexibel und altert nicht.
Beim Kleben ist neben der Frage der grundsätzlichen Eignung viel von der eigenen Erfahrung und den eigenen Vorlieben abhängig. Eine von mir sehr geschätzte Buchbinderkollegin z.B. kann mit Planatol Elasta N nicht viel anfangen – er passt nicht zu ihrer Arbeitsweise. Der Klebstoff, mit dem man gut arbeiten kann und der einem vertraut ist, ist der richtige.
Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.
06/05/2024
Atelier Gry repariert, die Zweite
Kintsugi – Reparieren auf japanische Art
Am 11. März habe ich darüber geschrieben, wie ich in ein paar älteren Semestern unter meinen Werken rostende Magnete entdeckt und diese repariert habe. Dabei ging es mir darum, die rostenden Magnete durch intakte zu ersetzen und Stellen im Futterpapier mit Rostflecken möglichst unsichtbar gegen sauberes Futterpapier zu tauschen. Auch wenn es keine Flecken gab, musste ich das Futterpapier aufschneiden, um an die Magnete zu gelangen. Nach Abschluss der Reparatur musste dieser Schnitt wieder geschlossen werden. Ich denke, das ist mir gut gelungen. Wie Sie sehen können, sehen Sie nichts von einer Reparatur an meiner eigenen Box mit Häkel- und Strumpfstricknadeln!
Aber auch wenn man nichts sieht, fühlen kann man die reparierten Stellen schon und manchmal, je nach Lichteinfall, auch eine feine Linie sehen. Nach unserem westlichen Verständnis ist die reparierte Box somit mängelbehaftet und nicht mehr viel wert. Wäre es nicht meine eigene, ich könnte sie allerhöchstens noch als B-Ware verkaufen, obwohl die reparierte Box tatsächlich stärker geworden ist im Vergleich zu einem unversehrten Stück. Aber so ist unser westliches Verständnis: Nur perfekte und makellose Schönheit ist vollkommen – und das, obwohl wir alle wissen, dass Perfektion unmöglich ist und Makel sicher kommen werden. Bei unseren Gegenständen durch die unvermeidbaren Gebrauchsspuren und bei uns selbst durch Krankheit und das Altern.
Das Bestehen auf Vollkommenheit erzeugt ungeheuren psychischen Druck und eine Menge Müll, ist also inhärent keine gute Sache. Dabei könnten wir uns entspannen, indem wir die Sache mit der Schönheit nicht so eng sehen. Es geht nämlich auch anders.
In Japan kennt man das Konzept des wabi sabi. Kurz gesagt bedeutet es, dass Schönheit erst durch kleine Fehler interessant und 'vollkommen' wird, und dass Gebrauchsspuren erst den Charakter und den Wert eines Gegenstandes ausmachen. In anderen Worten: Erst die Macken machen die Teeschale perfekt. Aber was, wenn die Teeschale herunterfällt und kaputtgeht? Dem Shogun Ashikaga Yoshimasa ist im 15. Jahrhundert genau das passiert. Und es war eine besonders schöne und wertvolle chinesische Teeschale, die da in Scherben lag. Da es sich um seine Lieblingsschale handelte, hat er sie zum Reparieren zurück nach China geschickt. Sie wurde auch repariert, so wie das damals üblich war: Die Scherben wurden mit Hilfe von Metallklammern zusammengefügt. Dem Shogun hat das Ergebnis allerdings überhaupt nicht gefallen. Aber was das Schlimmste war: Aus der geklammerten Schale konnte er keinen Tee mehr trinken!
Ashikaga Yoshimasa hat daraufhin japanische Handwerker beauftragt, seine Schale noch einmal zu reparieren. Und diese haben die Scherben mit Hilfe von Urushi-Lack zusammengeklebt, aber nicht etwa unsichtbar. Dem Lack wurde Goldpulver hinzugefügt, so dass zwischen den Scherben goldene Fugen entstanden, die man nach Wunsch fein abschleifen oder auch erhaben stehen lassen konnte. Das war die Geburtsstunde von Kintsugi, was in etwa "Zusammenfügen mit Gold" bedeutet und heute immer noch praktiziert wird. Als westlicher Mensch muss man das einmal kurz verinnerlichen: Anstatt den Makel zu verbergen wird er hervorgehoben und gar vergoldet! Ashikaga Yoshimasa jedenfalls war mit der Reparatur hoch zufrieden und konnte seine Schale wieder zum Teetrinken benutzen.
Von Daderot - Eigenes Werk, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=45589849
Hat das alles irgendetwas mit Buchbinden zu tun? Ja, denn aus dem Konzept Kintsugi kann man Gewerk-übergreifend etwas lernen. Zum einen kann eine Reparatur, richtig ausgeführt, den Wert eines Gegenstandes bewahren und sogar erhöhen. Wobei es vom Kontext abhängt, was im Einzelfall 'richtig' ist. Zum anderen muss eine Reparatur nicht zwingend versteckt werden.
Ich arbeite gerade an einer neuen Reihe von Boxen, die zu Ehren der Bamberger Kaliko (die seit 2022 den Betrieb eingestellt hat) ganz mit Buchgewebe in mehreren harmonischen Farbtönen bezogen sein soll. Dazu beizeiten mehr. Bei solcher Entwicklungsarbeit fallen immer Stücke an, wo das eine oder andere auf Anhieb nicht so gut gelingt und was in einem zweiten Durchgang verbessert werden soll. Man könnte solche Prototypen nun als mangelhaft wegwerfen – oder sie, falls sie ansonsten gut gearbeitet sind, mit Hilfe der Kintsugi-Idee aufwerten und zu einer eigenen Reihe weiterentwickeln. Sie können gespannt sein, ob und wie mir das gelingt.
Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.
22/04/2024
De glutinum Exkurs
Hilfe, mein Papier wellt sich!
Hier kommt nun die andere Geschichte, die das nächste Mal erzählt werden sollte. Es ist eine lange Geschichte, also holen Sie sich erst einmal etwas zu Trinken...
Wenn Sie je ein Stück Papier oder sehr dünnen Karton irgendwo angeklebt und nicht gerade Alleskleber verwendet haben wie ich damals als bastelndes Kind, kennen Sie das bestimmt: Das Papier fängt an, sich mehr oder minder stark zu wellen oder die Ecken einzurollen. Außerdem wird es weich. Das ist ganz normal und liegt daran, dass jeder Kleber, der keine stechenden Dämpfe entwickelt, Wasser als Lösungsmittel enthält. Die klebenden Bestandteile müssen ja in einer Substanz gelöst sein, die nach dem Auftragen eintrocknen kann, wodurch der Kleber fest wird.
Wie viel Wasser in einem Klebstoff steckt kann sehr unterschiedlich sein. Ein Klebestift beispielsweise enthält sehr wenig, in Kleister ist dagegen sehr viel Wasser. Und auch Papier reagiert unterschiedlich auf ein Anfeuchten durch Klebstoff. Es gibt Papiersorten, die werden sofort sehr weich, reißen ein oder fangen gar an, sich aufzulösen. Andere sind da robuster, rollen sich aber vielleicht sofort zu einem Rohr zusammen. Wieder andere lassen sich auch durch die größte Feuchtigkeit nicht beeindrucken und bleiben flach.
Woher kommt das? Papier besteht aus vielen kleinen Fasern. So gut wie alle Papiere bei uns werden industriell auf großen Maschinen hergestellt. Bei solchen Papieren sind die Fasern alle schön ordentlich nebeneinander angeordnet und zeigen in die gleiche Richtung. Das kann man sich vorstellen wie eine Bambusmatte oder ein Floß aus Baumstämmen, nur eben sehr viel kleiner. Die Richtung, in die die Fasern zeigen, nennt man die Laufrichtung des Papiers. Diese Laufrichtung ist wichtig beim Kleben und deshalb muss man herausfinden, wie sie verläuft.
Eine Bambusmatte können Sie nur in eine Richtung aufrollen, nämlich so, wie die Stäbe liegen. Ein Blatt Papier können Sie dagegen sowohl in die Laufrichtung der Fasern als auch dagegen aufrollen, aber gegen die Laufrichtung gibt es mehr Widerstand. Das können Sie selbst ausprobieren: Nehmen Sie sich ein Blatt Druckerpapier im Format DIN A4 und biegen Sie es. Wenn Sie die beiden langen Seiten aufeinander zubewegen, biegen Sie das Blatt in der Laufrichtung und spüren wenig Widerstand. Bewegen Sie die beiden kurzen Seiten aufeinander zu, spüren Sie mehr Widerstand, denn jetzt biegen Sie gegen die Laufrichtung. Das kann man mehrmals hintereinander machen, dann fühlt man den Unterschied besser. Wenn Sie noch nichts fühlen können, probieren Sie es mit einem dickeren und festeren Papier, da sind die Unterschiede deutlicher. Und wenn Sie sich fragen, woher ich weiß, wie die Laufrichtung bei Ihrem Papier ist: Bei Druckerpapier und anderem Papier im Format DIN A4 verläuft die Laufrichtung für gewöhnlich parallel zu den langen Seiten.
Wenn nun die Feuchtigkeit eines Klebstoffs auf das Papier trifft, quellen die Papierfasern auf und werden dicker. Unser Blatt DIN A4 Papier mit Laufrichtung parallel zu den langen Seiten ist dann immer noch 29,7 cm hoch aber nicht mehr genau 21 cm breit. Bei kleinen Papierstückchen merkt man dieses Dicker-Werden nicht so sehr, aber größere Stücke muss man schon manchmal um einige Millimeter schmaler zuschneiden, damit es nach dem Ankleben passt. Buchbinderinnen und Buchbinder nennen das Dehnung und müssen durch Erfahrung lernen, wie stark sich ihr Material beim Kleben dehnt und ab wann man es schmaler zuschneiden muss.
Dass sich Papier beim Kleben wellt und einrollt, kommt daher, dass der Klebstoff nur auf einer Seite des Papiers aufgetragen wird. Die Fasern auf dieser Seite des Papiers werden dicker, während die Fasern auf der anderen Seite noch trocken und dünner sind. Diese einseitige Ausdehnung bewirkt das Einrollen. Übrigens: Sollten Sie es einmal nicht schaffen, die Laufrichtung eines Papier zu bestimmen, so geht das ganz einfach, wenn man ein kleines Reststück davon einseitig anfeuchtet. Das Papier wird sofort beginnen, sich einzurollen. Schauen Sie in Gedanken durch das sich formende Rohr und Sie sehen in die Laufrichtung des Papiers.
Sich wellendes oder einrollendes Papier kann man unbesorgt aufkleben, denn die Wellen verschwinden, sobald man das Papier glatt gestrichen hat. Haben Sie aber Papier auf ein anderes Papier oder einen eher dünnen Karton geklebt, können Sie bald Folgendes beobachten: Das mit Papier beklebte Material biegt sich deutlich erst in eine Richtung, wird nach einer Weile wieder flach, und biegt sich dann allmählich in die entgegengesetzte Richtung. Das kommt daher, dass die Feuchtigkeit aus dem Kleber langsam das Papier durchdringt. Ist sie auf der Rückseite angekommen, sind alle Fasern dicker geworden und das Papier hat sich insgesamt ausgedehnt und wellt sich nicht mehr. Beim Trocknen werden die dicker gewordenen Papierfasern wieder dünner. Da sie aber festgeklebt sind, können sie sich nicht mehr frei bewegen und ziehen am anderen Material, was es verformt. Voilà, das Geheimnis der krummen und verbogenen Bastelarbeiten!
Buchbinder und Buchbinderinnen nennen das Zug und wissen auch, was man gegen die Verformungen unternehmen kann. Zunächst muss man wissen, dass unterschiedlich dicke Papiere auch unterschiedlich starken Zug entwickeln. Dann: Je mehr Wasser im Kleber war, desto stärker wirkt sich der Zug aus. Und schließlich: Je dünner das Material, auf dem das Papier klebt, desto eher sieht man eine Verformung.
Im Grunde genommen helfen drei Dinge.
1. Zug mit Gegenzug neutralisieren: Auf die Rückseite des beklebten Materials wird ein Papier aufgeklebt, das einen genauso starken Zug entwickelt. Das muss nicht dasselbe Papier sein wie auf der Vorderseite, sollte aber die gleiche Grammatur haben, also genauso dick und fest sein. Zum Finden einer geeigneten Alternative muss man vielleicht ein paar Versuche machen, indem man Probestücke beklebt. Nach dem völligen Durchtrocknen muss das Probestück flach liegen, dann ist der Zug durch einen Gegenzug neutralisiert.
2. Laufrichtung beachten: Das alles funktioniert nur, wenn das Papier auf der Vorderseite, der beklebte Untergrund und das Papier auf der Rückseite die gleiche Laufrichtung haben. Wurde ein Teil versehentlich gedreht, so dass nicht bei allen die Fasern in die gleiche Richtung zeigen, erhält man am Ende etwas, das einem Schuhlöffel gleicht. Und den bekommt man nicht flach, egal was man macht.
3. Unter Druck trocknen lassen: Wenn Sie eine flache Pappe beklebt haben, also vielleicht ein Bild, ein Schild oder eine Buchdecke, müssen sie das alles unter Druck trocknen lassen, damit sich nichts verbiegen kann. Dazu packt man das fertig beklebte Stück zwischen zwei saubere, trockene Pappen und stellt etwas Schweres oben drauf, vielleicht ein großes Buch oder ein Gewicht (ich habe mehrere alte boesner-Kataloge, die sind schön schwer). Das lässt man am besten über Nacht ganz durchtrocknen.
Das muss man nicht tun, wenn man beispielsweise eine Schachtel beklebt hat. Bei einer Schachtel entwickelt das Bezugspapier den Zug, das Futter sorgt für den Gegenzug, und die Schachtelseiten halten sich gegenseitig fest, so dass sich nichts verbiegen kann.
Wie kommt es aber, dass sich manches Papier überhaupt nicht rollt oder wellt, wenn es angefeuchtet wird? Das ist dann entweder ein handgeschöpftes Papier oder ein maschinell hergestelltes Papier, das sich wie ein handgeschöpftes verhält. Bei handgeschöpftem Papier liegen die Fasern nicht ordentlich nebeneinander, sondern wild durcheinander und deshalb gibt es keine Laufrichtung. Ohne Laufrichtung werden die Fasern zwar auch dicker, wenn sie feucht werden, aber da alle durcheinander liegen ist die Ausdehnung regelmäßig, wodurch das Papier flach liegen bleibt. Das wird Ihnen nicht oft begegnen, es sei denn Sie arbeiten mit Büttenpapier oder Japanpapier.
Zum Schluss dieses sehr langen Blogbeitrags mit geballtem Buchbinderwissen noch zwei Tipps.
Wenn Sie einmal ein Papier kleben möchten, dass sich besonders heftig einrollt, so hilft es, die Rückseite leicht zu befeuchten bevor man den Kleber aufträgt. Probieren Sie aber zuvor an einem Reststück aus, ob das Papier das verträgt. Efalin und Elefantenhaut kann man beispielsweise eine halbe Stunde vorher unter feuchte Schwammtücher legen.
Wenn Sie gar keine Lust haben, sich mit den Widrigkeiten des Klebens herumzuschlagen, benutzen Sie säurefreies doppelseitiges Klebeband. Das ist bei manchen Papieren (z.B. Transparentpapier) die einzige Möglichkeit, sie sauber zu kleben. Doppelseitiges Klebeband ist keineswegs eine Notlösung für Dummies. Es wird auch von Profis geschätzt, denn es bietet beachtliche Vorteile: Die Klebestelle bleibt trocken und ist sofort belastbar, nichts wellt oder verzieht sich, und Sie müssen eigentlich noch nicht einmal auf gleiche Laufrichtungen achten. Aber wie so oft ist auch hier nicht ein Kleber für alle Anwendungen geeignet, weshalb es mit den Klebstoffgeschichten hier auf dem Blog auch bald weitergeht.
Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.