08/04/2024

Glutinatrix de glutinum disputat

Perspektivische Zeichnung einer fiktiven Klosterbibliothek des frühen 14. Jahrhunderts, mit eingefügter schwarzweißer Katze. Eigenes Werk.
Die Werkstattkatze inmitten der Arbeit vieler fleißiger glutinatores. Erinnern Sie sich daran?

Ich habe Ihnen für die Zeit nach Ostern ein ureigenes Thema der Buchbinderei versprochen. Worum es heute geht, ist so grundlegend, dass die Buchbinder in den mittelalterlichen Klöstern danach benannt wurden. Dort sprach man Latein, und der Buchbinder war der glutinator. Das kommt vom Verb glutinare, was 'zusammenkleben' bedeutet. Ein Buchbinder war also ein Zusammenkleber, und auch heutzutage ist die Verwendung von Klebstoff und das Wissen um Was, Wo und Wie entscheidend für ein gutes Gelingen.

Im Mittelalter (und natürlich heute noch) gab es auch Frauenklöster. Deren Buchbinderin wäre dann wohl eine glutinatrix gewesen. Und wenn diese, so wie ich es im Begriff bin zu tun, etwas über Klebstoff erzählt hätte, hieße das: Glutinatrix de glutinum disputat. (Und jetzt wissen Sie auch, was die Überschrift bedeutet.) Klebstoff heißt auf Latein entweder glutinum (außer 'Leim' kann das auch 'Band' oder 'Verbindung' bedeuten) oder gluten ('Leim'). Ja, genau, so wie das Gluten, das Menschen mit Zöliakie das Leben schwer macht. Weswegen man es auch Klebereiweiß nennt, und es klebt tatsächlich. Wieder etwas gelernt.

Noch eine Anmerkung in eigener Sache: Ich habe zwar in einem früheren Leben einmal das Große Latinum gemacht, aber meine Lateinkenntnisse sind etwas rostig. Deshalb bin ich dankbar für die Unterstützung von Caesar auf www.frag-caesar.de, seines Zeichens "Staatsmann, Feldherr und Autor – und Hilfe beim Lateinlernen". Post mortem, versteht sich. Sollte ein Lateiner in meinem Latein Fehler finden, freue ich mich über eine Korrektur!

Nach all der Vorrede jetzt aber zu den Klebstoffen. Dazu gibt es so viel zu sagen, dass es für mehrere Blogbeiträge reicht. Zu unserer Reise in die Welt der Klebstoffe möchte ich Sie dort abholen, wo wir alle zum ersten Mal etwas geklebt haben: beim Basteln im Kindesalter.

Als ich noch klein war, war der Klebestift zwar schon erfunden, ich hatte aber nur einen lösungsmittelhaltigen Alleskleber, mit dem ich auch alles geklebt habe. Damit konnte man interessante Erfahrungen machen, wie etwa beim Weihnachtsbasteln die Farbe der Metallfolie anlösen oder von den stechenden Dämpfen Kopfschmerzen bekommen, aber das Zeug war unmöglich zu dosieren. Es kam immer eine viel zu große Menge aus Flasche oder Tube. Versuchte man das dünn zu verstreichen, war entweder der Pinsel ruiniert oder die Finger verschmiert, was der Haut auf Dauer auch nicht gut bekam. Also habe ich die Teile so aufeinander gepresst. Das Ergebnis: Der Klebstoff quoll links und rechts aus der Verbindungsstelle hervor und fertig war die Sauerei! Das kennen sicher alle Kinder, die basteln, und deren Eltern auch.

Papier aufzukleben war ganz unmöglich, ohne dass der Kleber verschmierte oder hinterher als dicker Wulst unter dem Papier sichtbar war. Irgendwann gab es dann die UHU Flinke Flasche, deren Spitze man versenken konnte, um den Klebstoff flächig aufzutragen. Aber auch das war nicht so sauber und eben auch ein Alleskleber, der nach Lösungsmittel stank.

Irgendwann hatte ich dann doch einen Klebestift, konnte aber nicht so richtig etwas damit anfangen. Der Kleber im Stift quoll zwar nicht so hervor und verschmierte alles, und wenn doch, so konnte man ihn mit einem feuchten Lappen abwischen. Aber für eine, die Alleskleber gewohnt war, klebte er nicht richtig und – was noch schlimmer war – er beschädigte das Papier. Das fing nämlich an, sich zu wellen und ganz weich und empfindlich zu werden. Und was man zusammenklebte war hinterher oft krumm und verbogen. Woran das lag und was man dagegen machen kann habe ich erst erfahren, als ich Buchbinden gelernt habe. Aber das ist eine andere Geschichte, die das nächste Mal erzählt werden soll.

 

Obwohl das Kleben so ein wichtiger Bestandteil der Buchbinderei ist, muss ich zugeben, dass es nicht meine Lieblingsbeschäftigung ist. Kleben ist heikel, und auch nach Jahren der Übung kann immer noch etwas schiefgehen. Das ist besonders ärgerlich bei den letzten Schritten, weil man damit mehrere Stunden Arbeit zunichte macht. Zum einen können Klebstoffe an der falschen Stelle sehr sichtbare Flecken hinterlassen. Zum anderen reagiert jedes Material anders auf Klebstoffe. Vor allem die in der Buchbinderei verwendeten Kleister und Leime wellen und erweichen Papier noch viel schlimmer als der Klebestift aus Kindertagen. Aber als glutinatrix lernt man, mit den Fallstricken des Zusammenklebens umzugehen. Dieses Wissen möchte ich gern weitergeben, indem ich über Klebstoff erzähle.

Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.