10/03/2025

Himmlische Heerscharen

Gewänder, Gesichter, Heiligenscheine und Aufhängefäden - bereit, um zu Reise-Engeln zu werden.

Die himmlischen Heerscharen, die hier entstehen, sind echte Kinder der Corona-Pandemie, als es zu Weihnachten den Ratschlag gab, ältere Familienmitglieder nicht zu besuchen, um sie nicht der Gefahr auszusetzen, sich mit Corona anzustecken. Eigentlich sollte man damals niemanden besuchen, um ihn oder sie nicht anzustecken. In dieser Situation habe ich die Reise-Engel entwickelt, die sich gern per Post auf die Reise zu fernen Verwandten und Freunden machen, dort Lächeln auf Gesichter zaubern und positive Energien verbreiten. Das tun sie auch außerhalb von Pandemie-Zeiten ganz ausgezeichnet.

Die Reise-Engel sind so klein, leicht und flach, dass man mehrere problemlos zusammen mit einer Karte in einem Standardbrief verschicken kann. Es gibt sie zu dritt als singendes Trio oder als Solist allein auf einer Weihnachtskarte. Und ich achte auch darauf, dass das ganze Ensemble aus Engel, Karte und Briefumschlag unter dem Gewicht eines Standardbriefs bleibt. Alle Engel kann man leicht von ihrer Karte ablösen und an ihrem Faden aufhängen.

Wie es sich für Engel gehört, tragen sie ein langes Gewand und haben zwei Flügel auf dem Rücken. Manche tragen dazu eine Stola, andere eine Pelerine und wieder andere ein Jabot wie die Richter und Richterinnen am Bundesverfassungsgericht.

Dieser Engel trägt eine fein gefältelte Halskrause wie zu Zeiten der englischen Königin Elisabeth I.

Und dieser Engel erinnert mich immer an einen Chorister im weißen Chorhemd.
Was ist ein Chorister? Das sind im englischen Sprachraum die Chorknaben oder -mädchen, die im Rahmen eines Gottesdienstes (meist in einer Kathedrale) singen und dabei liturgische Gewänder tragen. Berühmt sind die (männlichen) Chorister des King's College in Cambridge. Wogegen das Merton College in Oxford weibliche Chorister hat.

Last but not least ist hier ein ganz besonderer Engel, der ein Gewand ohne Accessoires trägt, aber dafür vier Flügel auf dem Rücken hat: Das ist ein Assyrischer Engel! Das haben Sie noch nie gehört? Gibt es aber - kommen Sie mit!

Wir befinden uns jetzt im Louvre in Paris, genauer gesagt in Raum 229 im Erdgeschoss des Richelieu-Flügels. Und da an der Wand ist er, das 3,3 Meter große Vorbild für meinen Assyrischen Engel.

© 1995 GrandPalaisRmn (musée du Louvre) / Hervé Lewandowski

Das ist ein assyrischer Schutzgeist aus dem Palast von Sargon II in Dur Scharrukin (8. Jhd. vor Christus), dem heutigen Khorsabad im Irak. Er hat vier Flügel, wie es bei assyrischen geflügelten Menschenfiguren üblich ist, und steht hinter einem Lamassu (ein geflügelter Torwächter mit Menschenkopf und Stierkörper), der aufpasst, dass nichts Böses den Palast betritt. Jedes Palasttor hatte rechts und links vom Eingang je einen Lamassu und dahinter so einen Schutzgeist, damit diejenigen, die der Lamassu vorbeigelassen hat, gleich gesegnet werden. Dazu hat der Schutzgeist in der einen Hand ein Eimerchen (Situla genannt - lateinisch für 'Eimer') und in der anderen Hand einen Zedernzapfen. Wenn ich mich richtig erinnere, war in dem Eimerchen eine Art Weihwasser, in das man den Zapfen eintauchen und so die Vorübergehenden mit dem Wasser besprengen konnte.

Ist er nicht eindrucksvoll? Das sind übrigens keine Armbanduhren, die er am Handgelenk trägt, sondern Armbänder mit einer Rosette darauf. Die schicke Hörnerkrone, die ihn als Gottheit ausweist, und den Bart, der irgendwie falsch aussieht, trägt mein Assyrischer Engel nicht, sondern einen Heiligenschein wie alle anderen. Aber bestimmt hat er auch Situla und Zedernzapfen irgendwo zur Hand, damit er nicht nur singen, sondern auch Segen spenden kann.

Lamassu und Schutzgeist aus Khorsabad gibt es übrigens nicht nur im Louvre, sondern auch im British Museum zu bestaunen (in Raum 10c). Für einen virtuellen Besuch per Google Street View benutzen Sie diesen Link und Sie können an den freundlich lächelnden Lamassus und Schutzgeistern vorbeispazieren.

Kleine Anmerkung: Die Kulturschätze aus Khorsabad sind nicht als freundliche Leihgabe in London und Paris, sondern weil sich die Europäer seinerzeit an fremden Kulturgütern bedient und sie für ihre eigenen Museen eingesackt haben. Die Deutschen natürlich auch, siehe Vorderasiatisches Museum in Berlin. Aber als im März 2015 der IS zum Entsetzen der Altertumswissenschaftler damit begonnen hat, zu zerstören, was noch in Khorsabad an assyrischen Artefakten übrig war, waren die in Paris und London wenigstens in Sicherheit.

24/02/2025

Kistenweise Sterne

Es hat einmal wieder länger gedauert als gedacht, aber jetzt sind alle Sterne für die nächste Weihnachtssaison gefaltet. Alle hintereinander gelegt ergeben sie eine Strecke von knapp 24 Metern; das ist so lang wie ein großer Pottwal.

Sieben Kisten und Kartons randvoll mit Sternen. Der große Ritterstern wirkt daneben schon zierlich.

Die großen und die kleinen Sterne 'Franziska' von Carmen Sprung. Die rechten Kisten gehen jeweils zur Winterausstellung nach Koblenz, die linken sind Vorrat für den Weihnachtsmarkt. Es gibt Sterne in Kupfergold und Rot, mit Schottenkaro in drei Farben, mit Schachbrettmuster, aus Kraftpapier mit Birken-Dekor, mit den Büchern aus der Klosterbibliothek in Maria Laach und - ganz neu - mit musizierenden Weihnachtsengeln.

Bei den kleinen Sternen gibt es zusätzlich solche mit rot-weißem skandinavischem Dekor oder Schokolade und Butterkeksen. Das glauben Sie nicht? Sehen Sie bei den kleinen Sternen genau hin und Sie werden die Schokoladen- und Kekssterne finden!

Kleine Sterne 'Franziska' in Rot und Kupfergold, daneben die Sterne 'Vanda', ebenfalls von Carmen Sprung.

So, und jetzt: Ran an die Reise-Engel!

Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.

10/02/2025

Schneekristall-Sechseck-Schachtel
(von Sweet Paper)

Auch im Februar sind wir noch nicht mit den Schneekristallen fertig, fürchte ich. Diesmal gibt es aber keine Scherenschnitte, sondern ich möchte diese schönen sechseckigen Origami-Schachteln mit eingearbeitetem Schneekristall (oder Stern) vorstellen, die ich bei Sweet Paper gefunden habe.

Zwei Schneekristall-Sechseck-Schachteln nach einer Anleitung von Sweet Paper, eine maigrün, eine weiß. Die Weiße gefüllt mit Gummibärchen.

Mein Blog ist immer noch eine standhafte valentinstagsfreie Zone, aber diese Schachteln eignen sich durchaus auch als süßigkeitengefüllte Gabe. Die Ökovital-Bären scheinen sich in der weißen Schachtel jedenfalls sehr wohl zu fühlen. Zu Ostern könnte ich mir einen Satz Schachteln in Frühlingstönen vorstellen, gefüllt mit kleinen Schokoladen- oder Marzipaneiern, beispielsweise. Und zu Weihnachten muss man diese Schachteln einfach in Gold und Weihnachtsrot machen.

Schneekristall-Sechseck-Schachtel in Weiß nach einer Anleitung von Sweet Paper, Ansicht von oben
Schneekristall-Sechseck-Schachtel in Weiß nach einer Anleitung von Sweet Paper, Ansicht von unten
Schneekristall-Sechseck-Schachtel in Weiß nach einer Anleitung von Sweet Paper, geöffnet mit Inhalt (Gummibärchen)

Eine gute Origami-Schachtel ist sowohl von außen als auch von innen schön. Diese hier habe ich aus Countryside Mistral Sunshine gefaltet, ein weißes Feinpapier (100 g/m²) mit goldenen Einschlüssen, das im Sonnenlicht schimmert. Ein Blatt der Größe DIN A4 reicht für einen Deckel und den Schachtelboden. Fortgeschrittene können auch eine zierliche Schachtel aus einem DIN A5-Blatt falten.

Schneekristall-Sechseck-Schachtel in Maigrün nach einer Anleitung von Sweet Paper, Ansicht von oben
Schneekristall-Sechseck-Schachtel in Maigrün nach einer Anleitung von Sweet Paper, Ansicht von unten
Schneekristall-Sechseck-Schachtel in Maigrün nach einer Anleitung von Sweet Paper, geöffnet, leer

Diese Schachtel besteht aus einem DIN A4-großen Stück maigrünen Tonpapier (130 g/m²). Hier sehen Sie, dass der Schachtelboden sechseckig gewölbt ist. Das sieht alles sehr anspruchsvoll aus, ist aber nicht so schwierig zu falten. Das erste Exemplar macht man dennoch am besten aus eher dünnem Schmierpapier (einfaches 80 g/m² Druckerpapier reicht), denn das Zusammenstecken ist etwas knifflig und gelingt vielleicht nicht auf Anhieb. Sobald man das Prinzip verstanden hat, wird es einfacher und man kann zum 'guten' Papier übergehen.

Die Anleitung finden Sie auf YouTube bei der Erfinderin dieser Origami-Schachtel, Yuki Honma alias Sweet Paper. Frau Honma spricht bzw. schreibt Japanisch, aber Sie können Ihrer Anleitung dennoch problemlos folgen. Alle wichtigen Angaben gibt es auch auf Englisch. Die vielen japanischen Untertitel können Sie mit Hilfe von Google Lens auf Ihrem Smartphone übersetzen, falls vorhanden; das ist aber nicht unbedingt nötig. Frau Honma zeigt alles so genau, langsam und ausführlich, dass man sehr gut zurechtkommt, wenn man einfach nur faltet, was sie vormacht. Es gibt sogar Hinweise, wann man das Video anhalten soll, um in Ruhe sich wiederholende Faltungen auszuführen, bevor es dann weitergeht.
Wenn Sie einmal auf den Geschmack gekommen sind, finden Sie bei Sweet Paper viele weitere Anleitungen für schöne und nützliche Dinge, alle sehr gut gezeigt und makellos gefilmt. Detektivarbeit, wie ich im Rahmen meines Origami-Sommers, muss man wirklich nur bei den allerfrühesten Videos leisten.

P.S.: Wenn Sie am Valentinstag einmal etwas anderes machen wollen, gehen Sie doch streiken! Und machen Sie am Wahlsonntag bitte Ihr Kreuz bei einer Partei, die den Klimaschutz ernst nimmt, ganz besonders wenn Sie Kinder und/oder Enkel haben.

Wirtschaft für Klimaschutz: Aufruf zum Klimastreik am 14.02.2025

Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.