29/11/2021

König Melchior über Geschenke (Teil 2)

KWO-Räucherfigur 'König Melchior' mit Kerze im Goldrahmen

Teil 1 dieses Gesprächs finden Sie hier.

Lieber König Melchior, vor vierzehn Tagen hatten wir auch über die Kunsthandwerker im Erzgebirge gesprochen. Nun sagen manche Leute, dass die Preise für erzgebirgisches Kunsthandwerk ganz schön gesalzen sind.

"Wenn diese Leute damit meinen, dass die Preise relativ hoch sind: Ja, das stimmt. Aber ich sage immer: Reiches Land, hohe Preise; armes Land, niedrige Preise. Das bedeutet, dass wir in reichen Ländern auch meist mehr Geld zur Verfügung haben und höhere Preise bezahlen können – das gilt nicht nur für Könige! Deutschland ist ein reiches Land. Meine erzgebirgischen Kunsthandwerker müssen nun mit ihren Produktpreisen die Arbeitslöhne und die in Deutschland notwendigen Abgaben abdecken. Ihre Preise sind also nicht das Ergebnis enormer Gewinnaufschläge! Das Problem der heutigen Zeit mit ihrer Globalisierung ist, dass die Bewohner dieses reichen Landes an Preise gewöhnt sind, die durch Fertigung in ärmeren Ländern ermöglicht werden. Wir haben hier also: Reiches Land, niedrige Preise, und dies auf dem Rücken der Menschen in den sogenannten Billiglohnländern. Im Vergleich dazu erscheinen die Preise deutscher Hersteller zunächst einmal hoch.
"Sollte sich nun ein deutscher Kunsthandwerker zu Herzen nehmen, dass seine Kunden Schnäppchenpreise wollen, kann das auf Dauer nicht gutgehen. Denn dann werden schlechte Kompromisse bei Mitarbeitern, Material und Qualität gemacht, um Kosten zu sparen und niedrige Preise möglich zu machen. Eine solche Werkstatt kann sich nicht halten: Sie hat keinen guten Ruf, bildet keine Lehrlinge mehr aus, findet keinen Nachfolger und schließt spätestens, wenn der jetzige Inhaber in Rente geht. Ich bin froh, dass man sich im Erzgebirge entschieden hat, nicht diesen Weg zu gehen, sondern angemessene Preise zu verlangen."

Neben denen, die für's Kunsthandwerk kein Geld ausgeben wollen, gibt es ja auch diejenigen, die davon sprechen, das Handwerk bewahren zu wollen. Nur dass den Worten dann nicht immer entsprechende Taten folgen. Kennen Sie das auch?

"Das könnte man auch als 'Nicht nach seinem Glauben handeln' bezeichnen. Das ist in eurer modernen Zeit recht weit verbreitet und zieht sich bis in die höchsten Kreise. Ich habe zum Beispiel vor drei Jahren eine Ausstellung seltener Handwerkskünste beim Genfer Traditionsuhrmacher Patek Philippe besucht. Anlässlich der Eröffnung sagte der Präsident Thierry Stern:

"Wir können viel über Traditionen sprechen, aber wenn die Menschen, die diese schönen Dinge herstellen, aus der Übung kommen, werden sie ihr Geschick und ihr Wissen verlieren. Deshalb sind Aufträge so wichtig, damit auch weiterhin Stücke erschaffen werden können. Ich glaube, das ist die beste Art, dieses Wissen zu bewahren."*

Monsieur Stern scheint also Dein Anliegen gut zu kennen. Die Uhren von Patek Philippe sind eventualiter nur für Könige bezahlbar, aber bei erzgebirgischem Kunsthandwerk und besonders bei Deinen Werken ist das doch keine Frage."

Vielen Dank, dass Sie meine Arbeiten, erzgebirgisches Kunsthandwerk und Patek Philippe in einem Satz genannt haben! Ich hätte nie gedacht, dass das einmal passiert! :-)
Eine letzte Frage: Viele möchten auch Kunsthandwerk aus anderen Ländern kaufen, was raten Sie denen?

"Diese Menschen heiße ich willkommen auf dem Basar, denn überall freuen sich Kunsthandwerker über Kundschaft! Auch Importeure von Waren aus fernen Ländern haben ein Angebot von handgefertigten Artikeln. Aber bitte nicht vergessen, dass auch die Menschen in fernen Ländern für ihrer Arbeit angemessen bezahlt werden sollen. Auf dem Basar können Sie gerne handeln, aber Pfennigfuchserei und Geiz ist unanständig. Verlangen Sie, dass Importeure fairen Handel praktizieren und Kinderarbeit und Ausbeutung vermeiden. Auch ist es besser, in kleinen, inhabergeführten Geschäften zu kaufen anstatt bei Online-Giganten."

Lieber König Melchior, Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um Ihre Gedanken mit mir und den Leserinnen und Lesern zu teilen. Noch eine gute Reise nach Bethlehem!

"Es war mir ein Vergnügen! Ich wünsche allen eine gesegnete Adventszeit!"

 

*Siehe erstes Video auf https://www.patek.com/de/unternehmen/news/ausstellung-seltener-handwerkskunste, eigene Übersetzung aus dem Englischen (Zugriff 09.11.2021).

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15/11/2021

König Melchior über Geschenke (Teil 1)

 

Im letzten Jahr konnten Sie in der Vorweihnachtszeit meine Geschenketipps lesen, in denen es um das 'Ob überhaupt?' und 'Wenn ja, was?' ging. Damit Sie nicht immer nur meine Ansichten serviert bekommen, hat sich in diesem Jahr König Melchior freundlicherweise bereit erklärt, etwas über Geschenke zu sagen. Er ist seit 2021 Jahren als Gabenbringer unterwegs und daher fraglos qualifiziert, über dieses Thema zu sprechen.

KWO-Räucherfigur 'König Melchior' (aus dem Orient, bringt Gold zur Krippe)

Lieber König Melchior, stellen Sie sich bitte kurz vor.

"Seien Sie mir gegrüßt, werte Leserinnen und Leser dieses Blogs! Mein Name ist Melchior, das ist hebräisch und bedeutet 'König des Lichtes'. Ich bin einer der Heiligen Drei Könige beziehungsweise der drei Magier, Sterndeuter oder Weisen aus dem Morgenland – Caspar, Balthasar und ich bestehen nicht auf einen bestimmten Titel.
Aber ich bin auch eine Räucherfigur aus Olbernhau im Erzgebirge, wie Sie vielleicht sehen können. Ich bin somit echtes erzgebirgisches Kunsthandwerk und zu Recht stolz darauf!"

Das können Sie auch sein!
Die Heiligen Drei Könige sind ja als Gabenbringer bekannt. Warum haben Sie damals Gaben zur Krippe gebracht und warum gerade diese?

"Es gehört zu den guten Sitten eines Besuchs unter Königen, auch wenn wir diesen König schließlich nicht in einem Palast gefunden haben. Man bringt etwas zum Geschenk, am besten einen der Reichtümer, für den das eigene Land berühmt ist. Nun ist mein Land nicht berühmt für seine Windeln oder Rasseln, auch wenn manche sagen, dass das passendere Gaben gewesen wären. Als ich damals ein Geschenk für den neugeborenen König der Juden suchte, habe ich mich für Gold entschieden, und natürlich habe ich das schönste Gold aus meiner Schatzkammer ausgewählt. Ebenso haben Caspar und Balthasar Weihrauch und Myrrhe aus ihren eigenen Ländern mitgebracht."

Sie sagen, Sie hätten Gold aus Ihrer Schatzkammer gewählt – Sie haben also etwas als Geschenk ausgesucht, das Ihnen gehört hat?

"Oh ja, als König hat man viele schöne Dinge, die sich prächtig als Gaben eignen. Außerdem denke ich, dass ein von mir gemachtes Geschenk vorher auch mir gehört haben muss. Hätte ich das Gold auf dem Basar kaufen lassen, wäre das beliebig – es wäre irgendein Gold, das jeder an meiner Stelle hätte kaufen lassen können. Insofern finde ich es seltsam, dass die Menschen heute, die ja in Imitation von uns Königen Weihnachtsgeschenke überreichen, in einen Laden gehen und dort etwas kaufen, was es tausendfach gibt. Das hat nichts mit der Person des Schenkers zu tun, außer, dass er es bezahlt hat."

Wenn ich aber jemandem zum Beispiel eine schöne Räucherfigur aus dem Erzgebirge schenken möchte, und weder habe ich eine, noch kann ich eine herstellen, dann muss ich sie doch kaufen?

"Nun, da magst Du Recht haben. Geschickte Handwerker beauftragen und ihre Waren kaufen lassen liegt mir von Haus aus sehr am Herzen. Aber ich hoffe doch, dass auch Du eine Räucherfigur kaufen würdest, die tatsächlich im Erzgebirge hergestellt wurde! Meine erzgebirgischen Kunsthandwerker haben mit billigen Nachahmungen in miserabler Qualität zu kämpfen, welche ihrem guten Ruf schaden. Der Preis ist übrigens meistens ein zuverlässiges Zeichen für Qualität. Auch Fachwissen, aber da können ambitionierte Amateure manchmal durchaus mithalten. Doch gute Arbeit muss nicht nur gewürdigt, sondern auch angemessen bezahlt werden."

Vielleicht haben die Käufer von Nachahmungen nicht so viel Geld?

"In einem der reichsten Länder dieser Erde? Aber möglicherweise haben sie ihr Geld schon für etwas anderes ausgegeben. Die Hirten damals an der Krippe waren arm, aber sie haben sich nicht mit billigen Geschenken erniedrigt. Stattdessen haben sie ein Lamm gebracht, einen guten Käse oder ein Brot, manche brachten auch ihre Instrumente mit und haben Musik gemacht – eine der schönsten Gaben überhaupt. Und ich erinnere mich an einen kleinen Hirtenjungen, der wirklich gar nichts hatte. Der hat Stroh von seinem Nachtlager zu einem Stern gebunden und dem Kind in der Krippe geschenkt. Maria und Josef haben den Stern im Stall aufgehängt, und das Stroh hat im Schein der Laterne festlich geleuchtet.* Solche Strohsterne kennt ihr ja noch immer. Damals habe ich mir gedacht: Melchior, Dein Gold ist ja schön und gut, aber die Gaben der einfachen Leute kommen genauso von Herzen und sind auf andere Art kostbar."

Weiter geht es mit Teil 2 am 29. November.

*Die Legende vom Stohstern findet sich so oder so ähnlich in vielen Büchern und im Internet.

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Der Weihnachtsmarkt ist eröffnet

 

Ab heute finden Sie wieder den Atelier Gry Weihnachtsmarkt-Stand online. Viel Spaß beim Stöbern!

Wenn Sie mein Angebot von den analogen Weihnachtsmärkten der vergangenen Jahre her kennen und bestimmte Dinge vermissen (etwa die Origamisterne): Das ist alles noch vorrätig, nur passt manches aus verschiedenen Gründen nicht in einen Onlineshop. Wenn Sie etwas Bestimmtes suchen, kontaktieren Sie mich bitte und ich helfe gerne weiter.

Für ein entspannteres Einkaufen gibt es ein verlängertes Weihnachtsrückgaberecht bis zum 17.01.2022, natürlich auch für Selbstabholer.
Auch in diesem Jahr spende ich von jedem Kauf 10% des Kaufpreises an das Bergwaldprojekt.
Damit alles rechtzeitig vor Weihnachten per Post ankommt, benötige ich Ihre verbindliche Annahme meines Angebots (siehe E-Mail-Bestellung, Schritt 3) bis spätestens 16. Dezember 2021, 18 Uhr. Bei einer späteren Annahme kommt die Bestellung wahrscheinlich erst nach Weihnachten an.
Selbstabholer können ihre Bestellung bis zum 22. Dezember nach Voranmeldung bei mir abholen.

01/11/2021

Zehn Jahre Buchbinden

oder: Von Alle meine Entchen zu den Goldberg-Variationen

Aussicht von der Werkbank in den nebligen Garten
An solch einem nebligen Tag habe ich das Buchbinden angefangen.

In meinem letzten Blogbeitrag hatte ich geschrieben, dass man im Werkunterricht kein Handwerk erlernt; ganz so wie jemand, der Alle meine Entchen auf dem Klavier spielen kann, noch lange kein Pianist ist. Im November 2011, also vor zehn Jahren, habe ich mein erstes selbst gebundenes Buch angefertigt, also quasi Alle meine Entchen spielen gelernt. Dieses Buch habe und nutze ich noch immer, auch wenn es reichlich Fehler enthält, wie sie Anfänger gerne machen. Aber das ist gut und wichtig, denn heute weiß ich, warum es Fehler waren und wie man es besser machen kann.

10 000 Stunden Üben am Limit

Zehn Jahre Buchbinden sind aber nicht nur ein rundes Jubiläum: Zehn Jahre muss ein Mensch auch üben, um richtig gut in etwas zu werden. Laut Daniel Coyle, dem Autor von The Talent Code (vom deutschen Verlag denkbar reißerisch und unzutreffend mit 'Die Talent-Lüge' übersetzt), sind 10 000 Stunden (etwa zehn Jahre) Training nötig, um herausragende Fähigkeiten zu entwickeln. Damit ist aber nicht lockeres Wiederholen gemeint, sondern etwas, das ich 'Üben am Limit' nenne. Üben am Limit ist hart und kann schnell frustrierend werden, denn man bewegt sich an der Grenze der eigenen Fähigkeiten und scheitert dementsprechend häufig. Es hilft, die Sache wirklich zu wollen, um trotz Rückschlägen dranzubleiben. Gute Lehrer (oder Lehrbücher) helfen auch. Bei Autodidakten wie mir ist eine Extraportion Frustrationstoleranz nötig, weil da keine Meisterin ist, die einem schnell zeigt, wie man es richtig macht, wenn etwas misslingt. Das muss man selbst herausfinden. Dennoch bin ich im Nachhinein zufrieden damit, nicht in einem Betrieb gelernt zu haben, denn das bringt – je nach Ausbildungsplatz – nicht immer nur Vorteile.

Damit dieser Blogbeitrag jetzt nicht in Selbstbeweihräucherung ausartet, möchte ich noch sagen, dass ich mich in den vergangenen zehn Jahren selbstverständlich nicht ununterbrochen am Limit abgearbeitet habe, aber eine ansehnliche Zahl Stunden harten Trainings ist schon zusammengekommen. Ich kann inzwischen Arbeiten ausführen, die denen von Kolleginnen und Kollegen mit Gesellen- oder Meisterbrief in nichts nachstehen. Wenn mein allererstes Buch wie Alle meine Entchen war, so übe ich heute die anspruchsvollen Goldberg-Variationen. Scheitern an den Grenzen der eigenen Fähigkeiten kommt aber immer noch regelmäßig vor.

P.S.: Falls der Eindruck entstanden ist, ich könnte Klavier spielen – das kann ich nicht. Aber ich liebe klassische Musik.

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