19/06/2023

Für Sterngucker und Tagfalter

Als Handwerkerin hat man das Vergnügen, sehen (und vorzeigen) zu können, was man den Tag über gearbeitet hat. Was nun folgt, sind die Früchte mehrerer Wochen Arbeit. Aber warum macht man so etwas? Und ist das überhaupt Arbeit? Nun, das macht man aus dem gleichen Grund, aus dem Musiker Tonleitern üben und neue Stücke einstudieren. Es trainiert die Fingerfertigkeit und erweitert das künstlerische Repertoire. Kein Musiker zweifelt daran, dass das wertvolle Arbeit ist. Viele Menschen sind ja auch anschließend bereit, manchmal schockierend hohe Eintrittspreise zu bezahlen, um die Früchte dieser Arbeit anzusehen und anzuhören. Die Ergebnisse meiner Arbeit gibt es hier umsonst zu sehen, also sind sie wertlos, richtig?

Auf einem Rasenweg ausgelegte Origami-Sterne nach Anleitungen von Carmen Sprung. Der Umriss des Sternhaufens erinnert entfernt an einen Schöpflöffel.

Hier sehen Sie das Sternbild 'Schöpflöffel'. Es sind hauptsächlich modulare Sterne und einige 'Einblattsterne' der Origami-Künsterin Carmen Sprung. Modulare Modelle bestehen aus mehreren gleichen Einzelteilen, die nur durch Falten und ohne Kleben zusammengefügt werden – das ist die Kunst.

Foto des Buches von Carmen Sprung: Origami 21 Sterne

Diese Sterne stammen aus dem oben gezeigten Buch, das nicht im Buchhandel sondern direkt von der Autorin zu beziehen ist. Ich habe ein Papierexemplar, mittlerweile gibt es nur noch E-Books. Die Sterne dieser Künstlerin sind vergleichsweise unproblematisch zu falten, halten gut zusammen und bieten mehr als nur hübsche Dekorationen. Besonders interessant für alle Liebhaber der Geometrie!

Auf einem Rasenweg ausgelegte Origami-Sterne nach Anleitungen von Tomoko Fuse. Der Umriss des Sternhaufens erinnert entfernt an ein Flusspferd.

Hier sehen Sie das Sternbild 'Flusspferd' aus Sternen der Künstlerin Tomoko Fuse. Wer sich mit Origami beschäftigt, hat schon von Tomoko Fuse gehört (zumindest den Namen). Ihre Sterne sind teilweise sehr anspruchsvoll, und manchmal braucht es ein paar Anläufe, bis man begriffen hat, wie es geht. Besonders die Drehfaltungen haben es in sich!

Begonnen habe ich mit 'Zauberhafte Origami-Sterne' von 2014 aus dem frechverlag (gibt es in vielen Stadtbüchereien zum Ausleihen), dankenswerterweise eine direkte Übersetzung aus dem Japanischen. Ich habe ein paar Anleitungsbücher, die deutsche Übersetzungen der englischen Übersetzung eines japanischen Originals sind. Da sich bei jedem Übersetzungsdurchgang die Ungenauigkeiten und Missverständnisse potenzieren können, gibt es dann stellenweise vage oder unsinnige Anleitungen – und Leser, die entnervt aufgeben. Das ist bei den Zauberhaften Origami-Sternen nicht der Fall, nur die Faltdiagramme sind etwas klein. Deswegen habe ich mich gefreut, dass der Viereck-Verlag das Original in seinem Sortiment hatte (heute leider nicht vorrätig). Ich kann die japanischen Texte nicht lesen (was sicher schade ist), aber die Diagramme sind so deutlich, dass man keine erklärenden Texte benötigt.

Foto des Buches von Tomoko Fuse: Origami Stars and Snowflakes

So, und jetzt mache ich mich an eine neue Partie Origami-Sterne; die nächste Winterausstellung kommt bestimmt!

Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.

09/06/2023

Tag des Heiligen Columban 2023

Frohes Schaffen allen Buchbindern und anderen Papierwerkern! Heute ist wieder der Tag des Heiligen Columban von Iona, Schutzpatron der Buchbinder. Falls Sie vergessen haben, wer das ist, können Sie es hier nachlesen.

Bevor es das Patronats-Festessen gibt (heuer ein Picknick auf der nicht mehr ganz so fotogenen Wilden Wiese), schauen wir noch schnell in die Werkstatt vom Buchbinderlein.

Buchbinderwerkstatt in Puppenstubengröße mit zwei Werkbänken voller Material und Werkzeuge. Hinter der größeren Werkbank eine Holz-Gliederpuppe mit schwarzer Schürze, hinter der kleineren eine Emily-Erdbeer-Puppe aus den 1980er Jahren. Davor sitzt Emily Erdbeers rosa-weiß-getupfte Katze.

An diesem sonnigen und warmen Tag stehen das Buchbinderlein und seine neue Auszubildende Emily noch in der Werkstatt. Es sieht so aus, als erkläre das Buchbinderlein gerade die Herstellung einer einfachen Buchdecke für einen einlagigen Deckenband. Emily hat schon Pappen, Gewebe und Bezugspapier zugeschnitten und passt nun auf, was der Meister damit macht. Ganz rechts auf der Ablage entdeckt das geübte Auge, dass in der kommenden Arbeitswoche der mehrlagige Deckenband an die Reihe kommt. Und offensichtlich gibt es auch hier eine Werkstattkatze!

Wenn die Buchdecke fertig ist und trocknet, machen sie wohl Feierabend für heute, stellen ihr Zunftzeichen auf und widmen sich ihrem Festessen. Ich hörte, es gibt einen Erdbeerkuchen.

Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.

05/06/2023

Die Kraniche des Juni

Es ist Sommer bei uns auf dem Land! Aber leider – ist es nicht typisch deutsch, sich über alles zu beklagen? – ist es schon wieder des Guten zuviel. Eigentlich könnte es mal wieder tüchtig regnen, denn die Regentonnen sind leer und das Gras wird braun...

Pfingsten ist vorbei, aber unsere Pfingstrosen (gut gegossen) stehen noch in voller Blüte und die Kraniche des Juni können sich zum ersten Mal auf genau der Pflanze niederlassen, die auf ihnen abgebildet ist.

Vier Origami-Kraniche mit Hanafuda-Muster für den Monat Juni auf einer dunkelrot blühenden Bauern-Pfingstrose

Pfingstrosen gehören zu den ältesten Gartenpflanzen. Aus dem europäischen Mittelalter sind Gemälde erhalten, auf denen gut erkennbar Pfingstrosen abgebildet sind, wie etwa im 'Paradiesgärtlein' von 1410/20, das im Frankfurter Städelmuseum hängt. In China wurde die Pfingstrose noch länger als Gartenpflanze kultiviert und weitergezüchtet; sie war sogar einmal die nationale Blume. Pfingstrosen symbolisieren dort Reichtum und Vornehmheit, was man bei den großen schweren Blütenköpfen, die immer eine Stütze brauchen, gut nachvollziehen kann.

Origami-Kranich mit Hanafuda-Muster für den Monat Juni: Pfingstrose
Origami-Kranich mit Hanafuda-Muster für den Monat Juni: Pfingstrose

Diese zwei Kraniche tragen die vornehme Pfingstrose, einmal voll aufgeblüht und ein weiteres Mal als Knospe.

Origami-Kranich mit Hanafuda-Muster für den Monat Juni: Pfingstrose mit blauem Papierstreifen

Der Papierstreifen, der diesmal die Farbe Blau hat, hebt sich gut vom prächtigen Rot der Pfingstrose ab.

Origami-Kranich mit Hanafuda-Muster für den Monat Juni: Pfingstrose mit Schmetterlingen

Ich habe noch keine Schmetterlinge auf den Pfingstrosen gesehen (dafür umso mehr Ameisen), aber natürlich gehören auch sie zum Sommer. In Japan sieht man die flatterhaften Schmetterlinge als Symbol für die menschliche Seele an (laut Diderots Enzyklopädie in Europa übrigens auch). Aber anders als hier ist man in Japan misstrauisch, wenn ganze Schwärme von Schmetterlingen auftreten, denn das soll ein böses Vorzeichen sein. Ich würde mich über mehr Schmetterlinge im Garten freuen, also lassen wir eine wilde Ecke von Brennnesseln überwuchern und hoffen das Beste.

Auch wenn es so aussehen mag, dies ist nicht zu einem Garten- und Japan-Blog mutiert! Ich bin immer noch Buchbinderin, die sich dieses Jahr allerdings hauptsächlich mit Origami beschäftigt. Und weil am kommenden Freitag der Tag des Heiligen Columban ist, muss ich mal nachsehen, was das Buchbinderlein so macht. Ich glaube, in seiner Werkstatt gibt es neuerdings eine Auszubildende!

Schwarz-weiße Katze hinter der Fensterscheibe vor blühenden Pfingstrosen

Derweil genießt die Werkstattkatze von ihrem Platz am Fenster unter der Werkbank den Ausblick auf Pfingstrosen, Seerosen und viele summende Insekten.

Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.