19/10/2020

Japanische Muster (3)

Traditionelle japanische Muster (wagara) sind nicht einfach nur schön anzusehen, sie haben vor allem Bedeutungen. Welche das sind und welche meiner Bezugspapiere solche Botschaften tragen, das möchte ich in dieser Serie von Blogbeiträgen erforschen.

Teil 3 widmet sich einem reiselustigen Muster, das international bekannt und auch in Deutschland sehr beliebt ist. Wir kennen es als Arabeske oder Rankenmuster, auf Japanisch heißt es:

Karakusa

Typisches Karakusa-Muster aus der Japanese Architecture and Art Datenbank
(Bildquelle: © JAANUS)

 
Karakusa bedeutet 'chinesisches Grasmotiv', stellt aber durchaus naturnah Ranken dar, wie sie an Pflanzen wie Weinreben und Erbsen vorkommen. Es gibt unendlich viele Variationen dieses Motivs mit und ohne Blüten, Früchten oder Blättern. Das Motiv der miteinander verbundenen Ranken stammt vermutlich aus Persien und ist wie Seigaiha auf der Seidenstraße nach Osten gewandert und von China nach Japan gekommen. Rankenmotive mit Blatt/Frucht/Blüten-Zusätzen können auch aus Zentralasien, Indien oder dem alten Griechenland oder Ägypten stammen. Sie sind ebenso weit gewandert und wir kennen sie auch aus der Renaissance-Architektur und der islamischen Kunst. In Japan kennt man Karakusa spätestens seit dem 8. Jahrhundert und hat die exotischeren Motive durch Verwendung von heimischen Pflanzen an den japanischen Geschmack angepasst. Karakusa erscheint als Muster auf Keramik, Metallarbeiten, Lackarbeiten, in der Architektur und natürlich auf Textilien. (Quelle)

Karakusa hat mehrere Bedeutungen, die alle mit der kraftvollen Vitalität von Rankpflanzen, die sich selbstständig festhalten und klettern können, zu tun haben. Als ein sich kontinuierlich wiederholendes Muster steht es für ewiges Gedeihen, Wohlstand und ein langes Leben; manchmal auch für ein Vermächtnis oder die familiäre Abstammung, ähnlich wie ein westlicher Stammbaum. (Quelle) (Quelle)

Karakusa ist ein bekanntes glücksbringendes Muster für furoshiki (ein japanisches Tuch, in dem Gegenstände eingewickelt und darin getragen werden können). Japanische Räuber sollen früher für gewöhnlich ihre Beute in einem furoshiki mit Karakusa-Muster davongetragen haben! Vielleicht gab es in wirklich jedem Haus so ein Tuch, das man mitgehen lassen konnte. (Quelle) Aber wer weiß, vielleicht haben es die Räuber auch selbst als Glücksbringer für ihre Raubzüge mitgebracht?

Hier ist ein eher ungewöhnliches Beispiel für Karakusa auf einem Chiyogami aus meinem Fundus. Man sieht keine naturgetreuen Ranken, sondern stilisierte Pflanzenteile kombiniert mit Beschlägen, wie man sie auf schmiedeeisernen Toren finden kann. Dieses Muster ist bei meinen Kunden so beliebt, dass es inzwischen fast ausverkauft ist.

Das Muster 'Ranken'

 
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