17/07/2023

Im Maschinenpark

Vor etwa einem Jahr habe ich bemerkt, dass ich Schmerzen in der Hand entwickele, wenn ich lange zuschneiden muss, also beispielsweise über hundert Kreise oder ein Dutzend komplizierter Teile aus festem Karton. Als Kunsthandwerkerin kann man keine schmerzenden Hände brauchen, denn sie sind das wichtigste Werkzeug und wollen pfleglich behandelt werden. Daher habe ich überlegt, ob mir nicht etwas die anstrengenden und auch die monotonen Schneidearbeiten abnehmen könnte.

So ein Helferlein gibt es tatsächlich und vor kurzem habe ich meinen 'Maschinenpark' durch einen Schneideplotter ergänzt.

An meinem Arbeitsplatz stehen aufgereiht ein aufgeklappter Laptop, ein Silhouette Portrait 3 Schneideplotter und ein alter Tintenstrahldrucker.
Der Atelier Gry Maschinenpark in vollem Gange: Laptop, Schneideplotter und Drucker.

Nun bin ich ja sonst stolz auf meine Feinmotorik und was meine Hände können. Ich kann Kreise ausschneiden und mit Geduld und Ruhe (und einem Podcast auf den Ohren) mit dem Skalpell feinste Schneidarbeiten ausführen. Aber wie der Soziologe Richard Sennett in seinem Buch The Craftsman sagt (in deutscher Sprache 2008 als Handwerk erschienen), macht der Einsatz von Maschinen auch im Handwerk Sinn, wenn die Maschine den Menschen unterstützen kann. Unterstützen, nicht ersetzen.

In der Küche hilft ein Mixer beim Sahne schlagen, während ein Mensch kocht. Seit der Industriellen Revolution wird hingegen versucht, die menschliche Arbeit soweit wie möglich durch Maschinen zu ersetzen, denn Maschinen brauchen weder Pausen noch Urlaub, sie wollen keinen Lohn und sind auch nicht in Gewerkschaften organisiert (was natürlich selten jemand offen zugegeben hat). Und eine maschinelle Produktion hat ja auch viele Dinge für die meisten erst erschwinglich gemacht – allerdings zu dem Preis, dass diese Dinge langweilig einförmig aussehen und nicht mehr lange halten.

Richard Sennett schlägt nun vor, die schweren bis gesundheitsschädlichen Anteile der Arbeit den Maschinen zu überlassen, während Menschen sich auf das konzentrieren, was sie am besten können: beim Arbeiten sehen, fühlen, beurteilen, neu komponieren, überhaupt eine eigene Arbeitsweise haben, in Sekundenbruchteilen die Herangehensweise anpassen und auch komplett Neues erfinden. Vielleicht werden Maschinen das einmal dank KI können, aber im Moment weiß mein Schneideplotter nicht einmal, wo das Papier zu Ende ist und schneidet munter in die Matte, ohne etwas zu bemerken, wenn die Einstellungen nicht stimmen.

Silhouette Portrait 3 Schneideplotter bei der Arbeit. Werkzeughalter, Schneidematte und Papier sind aufgrund der hohen Geschwindigkeit verschwommen.
Sie ist schnell und wiederholt mit Kraft und Ausdauer auch feinste Bewegungen beliebig oft ohne jede Variation: Bei mir in der Werkstatt rattert und knirscht eine Silhouette Portrait 3.

Auf jeden Fall kann ich nun in Ruhe die Exponate für die diesjährige Winterausstellung in der Galerie Handwerk Koblenz vorbereiten, während meine maschinelle Assistentin gelochte Jugendstil-Preisschilder ausschneidet.

Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.