03/07/2023

Die Kraniche des Juli

Vier Origami-Kraniche mit Hanafuda-Muster für den Monat Juli auf einer Wiese mit blühenden Kleinen Braunellen

Die Kraniche tragen im Monat Juli Japanischen Buschklee (Lespedeza). Das ist kein Klee, sondern ein Schmetterlingsblütler aus der Familie der Hülsenfrüchtler, der in Europa nicht vorkommt. Aber vermutlich ist die Kleine Braunelle (Blume des Jahres 2023), die so gut zu ihren indigofarbenen Köpfen und Schwänzen passt, für die Kraniche ein akzeptabler Ersatz.

Klicken Sie einmal auf das Foto und sehen Sie sich das Tier auf dem untersten Kranich genauer an. Das, was ein bißchen so aussieht wie ein Igel mit viel zu langen Beinen, ist ein Wildschwein. Ja, die gibt es auch in Japan! Dort sind sie gefürchtet als besonders draufgängerische, ungestüme Tiere. (Das können die Bewohner von Berlin, Barcelona oder Rom wahrscheinlich nachvollziehen.) Sie stehen aber auch für Reichtum. So hat man früher geglaubt, dass reich wird, wer ein Büschel Wildschweinborsten in seinem Geldbeutel trägt. Vielleicht war das aber auch sinnbildlich gemeint, denn vor etwas mehr als hundert Jahren hat es in Japan einen Geldschein gegeben, auf dem ein Wildschwein abgebildet war. Viele solcher 'Wildschweine' im Geldbeutel machten dann tatsächlich reich.

Zum Schluss noch ein praktischer Tipp. Wenn Sie schon einmal versucht haben, selbst einen Kranich zu falten (ein Anleitungsvideo gibt es hier), ist es Ihnen vielleicht passiert, dass beim letzten Schritt, wenn die Flügel auseinandergezogen werden und sich der Kranich-Rücken rundet, das Papier am Rücken aufreißen will. Keine Sorge, das liegt am Papier und nicht an Ihnen! Bei Chiyogami, Washi, anderen Japanpapieren, Lokta-Papier oder auch Büttenpapier passiert das nicht, denn diese Papiere bestehen aus langen Fasern, die viel mehr aushalten können als die kurzen Fasern in unserem normalen Standardpapier. Wenn Sie also mit Papier falten wollen, von dem Sie wissen, dass es schwächelt, kleben Sie auf die Rückseite der gefährdeten Stelle ein Stück Tesafilm. Am besten macht man das, nachdem man das Papier zweimal diagonal von Ecke zu Ecke gefaltet hat. In die Mitte, wo sich die Faltlinien kreuzen, kommt (nur auf die Rückseite!) ein Stückchen Tesa, das etwas länger als der Kranich-Rücken ist. Gefahr gebannt!

Leider kann man einem Papier nicht ansehen, wie es sich falten lässt. Beim Anfertigen eines Probestücks wird allerdings schnell klar, ob und wo es Probleme gibt. Deshalb raten erfahrene Falter dazu, kein Papier in großen Mengen zu kaufen, bevor nicht seine Falteigenschaften bekannt sind. Das gilt auch für speziell für Origami angebotenes Papier, und sogar für Importe aus Japan.

Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.

19/06/2023

Für Sterngucker und Tagfalter

Als Handwerkerin hat man das Vergnügen, sehen (und vorzeigen) zu können, was man den Tag über gearbeitet hat. Was nun folgt, sind die Früchte mehrerer Wochen Arbeit. Aber warum macht man so etwas? Und ist das überhaupt Arbeit? Nun, das macht man aus dem gleichen Grund, aus dem Musiker Tonleitern üben und neue Stücke einstudieren. Es trainiert die Fingerfertigkeit und erweitert das künstlerische Repertoire. Kein Musiker zweifelt daran, dass das wertvolle Arbeit ist. Viele Menschen sind ja auch anschließend bereit, manchmal schockierend hohe Eintrittspreise zu bezahlen, um die Früchte dieser Arbeit anzusehen und anzuhören. Die Ergebnisse meiner Arbeit gibt es hier umsonst zu sehen, also sind sie wertlos, richtig?

Auf einem Rasenweg ausgelegte Origami-Sterne nach Anleitungen von Carmen Sprung. Der Umriss des Sternhaufens erinnert entfernt an einen Schöpflöffel.

Hier sehen Sie das Sternbild 'Schöpflöffel'. Es sind hauptsächlich modulare Sterne und einige 'Einblattsterne' der Origami-Künsterin Carmen Sprung. Modulare Modelle bestehen aus mehreren gleichen Einzelteilen, die nur durch Falten und ohne Kleben zusammengefügt werden – das ist die Kunst.

Foto des Buches von Carmen Sprung: Origami 21 Sterne

Diese Sterne stammen aus dem oben gezeigten Buch, das nicht im Buchhandel sondern direkt von der Autorin zu beziehen ist. Ich habe ein Papierexemplar, mittlerweile gibt es nur noch E-Books. Die Sterne dieser Künstlerin sind vergleichsweise unproblematisch zu falten, halten gut zusammen und bieten mehr als nur hübsche Dekorationen. Besonders interessant für alle Liebhaber der Geometrie!

Auf einem Rasenweg ausgelegte Origami-Sterne nach Anleitungen von Tomoko Fuse. Der Umriss des Sternhaufens erinnert entfernt an ein Flusspferd.

Hier sehen Sie das Sternbild 'Flusspferd' aus Sternen der Künstlerin Tomoko Fuse. Wer sich mit Origami beschäftigt, hat schon von Tomoko Fuse gehört (zumindest den Namen). Ihre Sterne sind teilweise sehr anspruchsvoll, und manchmal braucht es ein paar Anläufe, bis man begriffen hat, wie es geht. Besonders die Drehfaltungen haben es in sich!

Begonnen habe ich mit 'Zauberhafte Origami-Sterne' von 2014 aus dem frechverlag (gibt es in vielen Stadtbüchereien zum Ausleihen), dankenswerterweise eine direkte Übersetzung aus dem Japanischen. Ich habe ein paar Anleitungsbücher, die deutsche Übersetzungen der englischen Übersetzung eines japanischen Originals sind. Da sich bei jedem Übersetzungsdurchgang die Ungenauigkeiten und Missverständnisse potenzieren können, gibt es dann stellenweise vage oder unsinnige Anleitungen – und Leser, die entnervt aufgeben. Das ist bei den Zauberhaften Origami-Sternen nicht der Fall, nur die Faltdiagramme sind etwas klein. Deswegen habe ich mich gefreut, dass der Viereck-Verlag das Original in seinem Sortiment hatte (heute leider nicht vorrätig). Ich kann die japanischen Texte nicht lesen (was sicher schade ist), aber die Diagramme sind so deutlich, dass man keine erklärenden Texte benötigt.

Foto des Buches von Tomoko Fuse: Origami Stars and Snowflakes

So, und jetzt mache ich mich an eine neue Partie Origami-Sterne; die nächste Winterausstellung kommt bestimmt!

Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.

09/06/2023

Tag des Heiligen Columban 2023

Frohes Schaffen allen Buchbindern und anderen Papierwerkern! Heute ist wieder der Tag des Heiligen Columban von Iona, Schutzpatron der Buchbinder. Falls Sie vergessen haben, wer das ist, können Sie es hier nachlesen.

Bevor es das Patronats-Festessen gibt (heuer ein Picknick auf der nicht mehr ganz so fotogenen Wilden Wiese), schauen wir noch schnell in die Werkstatt vom Buchbinderlein.

Buchbinderwerkstatt in Puppenstubengröße mit zwei Werkbänken voller Material und Werkzeuge. Hinter der größeren Werkbank eine Holz-Gliederpuppe mit schwarzer Schürze, hinter der kleineren eine Emily-Erdbeer-Puppe aus den 1980er Jahren. Davor sitzt Emily Erdbeers rosa-weiß-getupfte Katze.

An diesem sonnigen und warmen Tag stehen das Buchbinderlein und seine neue Auszubildende Emily noch in der Werkstatt. Es sieht so aus, als erkläre das Buchbinderlein gerade die Herstellung einer einfachen Buchdecke für einen einlagigen Deckenband. Emily hat schon Pappen, Gewebe und Bezugspapier zugeschnitten und passt nun auf, was der Meister damit macht. Ganz rechts auf der Ablage entdeckt das geübte Auge, dass in der kommenden Arbeitswoche der mehrlagige Deckenband an die Reihe kommt. Und offensichtlich gibt es auch hier eine Werkstattkatze!

Wenn die Buchdecke fertig ist und trocknet, machen sie wohl Feierabend für heute, stellen ihr Zunftzeichen auf und widmen sich ihrem Festessen. Ich hörte, es gibt einen Erdbeerkuchen.

Ich freue mich über Kommentare an ateliergry@gmail.com.