14/06/2021

Seegraskistengalerie: Sophie Taeuber-Arp

 

Eine Kiste aus Seegras, daran befestigt drei Kunstpostkarten mit Werken von Sophie Taeuber-Arp
Graphitzeichnung auf Papier von Sophie Taeuber-Arp mit dem Titel 'Coquille', 1937
Aquarell von Sophie Taeuber-Arp mit dem Titel 'Paris, Friedhof Montmartre', 1926

Die Museen sind in meiner Region wieder geöffnet, aber immer noch ist es schön, Kunst im eigenen Haus zu haben, wenn es auch nur Postkarten sind. Zurzeit zeigt meine private Galerie an der Seegraskiste neben der Werkbank (kurz: Seegraskistengalerie) eine Ausstellung zweier Werke der Schweizer Künstlerin Sophie Taeuber-Arp (1889-1943), sowie eine Fotografie von Ernst Linck von 1918, die sie zusammen mit von ihr geschaffenen Marionetten zeigt.
1918 entwarf Sophie Taeuber die Marionetten für eine Aufführung des Stückes 'König Hirsch' von Carlo Gozzi. Mich fasziniert besonders die Bemalung der Gesichter und die Formen, die oft nur lose dem menschlichen Körperbau folgen. Die Marionetten sind auch Teil der aktuellen Wander-Ausstellung Gelebte Abstraktion, und auf dieser Seite der Stiftung Arp können Sie sie auch einzeln und in Farbe ansehen.
Die Muscheln auf der Zeichnung 'Coquille' von 1937 sehen in meinen Augen zwar nicht unbedingt nach Muscheln aus, aber ich finde sie so schön, dass ich sie in abgewandelter Form auf meinen Schmuckboxen als Relief verwende (aktuell bei 'Pflaumenblüte' und 'Palmwedel').
Bei dem Aquarell 'Paris, Friedhof Montmartre' schließlich spricht mich die Kombination der Farben besonders an, auch wenn der Friedhof "in Wirklichkeit schöner aussieht" (wie man mir gesagt hat :-).

Noch mehr über Sophie Taeuber-Arp und ihre Kunst finden Sie beispielsweise hier, oder sehr ausführlich und mit Zeitleiste, aber ohne Bilder hier.

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09/06/2021

Tag des Heiligen Columban 2021

Schwarz-weiße Katze liegt in einer grünen Mappenschachtel

Die Werkstattkatze und ich wünschen zum Tag des Heiligen Columban allen Menschen, die sich mit dem Buchbinden beschäftigen, frohes Schaffen und allzeit gutes Gelingen! Der Heilige Columban ist Patron der Buchbinder, wie ich schon im letzten Jahr geschrieben habe.

Zum Festessen heute Abend (auch dieses Jahr nur im familiären Kreis) gibt es einen Buchblock in Soße und zum Nachtisch wie letztes Jahr Kleister mit Kirschen und Himbeeren.

Was ist ein Buchblock? So nennt man die fertig gehefteten Buchseiten, bevor sie zwischen die Deckel kommen. Mit ein bißchen Phantasie fällt einem dazu Blätterteig ein oder - was es heute gibt - Lasagne. Und Rote Grütze ist eigentlich nur mit Zucker und Fruchtsaft gekochter Kleister!

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31/05/2021

Die Ästhetik des Unperfekten und das Handgemachte

 

Da muss die Jury aber Augen gemacht haben! Zwei Porzellanobjekte, eines aufrecht stehend wie eine bauchige Vase, das andere wie zur Seite weggeknickt und umgefallen. Ein Objekt scheinbar gelungen, das andere scheinbar misslungen, beide eingereicht als Wettbewerbsbeitrag für den Staatspreis MANUFACTUM für das Kunsthandwerk Nordrhein-Westfalen. Und nicht nur eingereicht, denn die Keramikerin Maria Pohlkemper hat mit ihrem Beitrag 'WISP – WHAT IS PERFECT' in der Kategorie Objekt und Skulptur auch gewonnen!

"Beeindruckt war die Fachjury über das im Brennprozess verformte Objekt, das die Herstellerin mit ihrem Ergebnis akzeptiert und damit für sich einen neuen Weg beschreiten konnte. Der Schritt, das 'unperfekte' Objekt gerade wegen seiner Brüche und Risse zu akzeptieren, darin eine eigene Schönheit und Lebendigkeit zu entdecken, wurde als ein neuer Aspekt der Wahrnehmung gewertet."

In Japan ist dieser Aspekt der Wahrnehmung gar nicht neu. Ich kann mich noch erinnern, in der Japan-Galerie, ganz oben im British Museum in London, vor einem Schaukasten mit Teeschalen gestanden und mich gewundert zu haben, dass einige Schalen kleine Macken hatten, wo die Glasur abgesprungen war. Zu Hause hätte eine solche Schale als kaputt gegolten und wäre bald im Müll gelandet. Eine Tafel neben dem Schaukasten informierte mich, dass diese Macken in Japan 'Insektenbisse' genannt werden und erst die besondere Schönheit der Keramik ausmachen. Dies ist Teil von Wabi Sabi, der Ästhetik des Unperfekten und der Gebrauchsspuren. Der Zenmeister Sen no Rikyu (1522–1591) sagte dazu: "Es gibt Menschen, die eine Sache schon beim kleinsten Mangel ablehnen – mit solch einer Haltung zeigt man nur, dass man nichts verstanden hat."

Diese Haltung empfinde ich in Deutschland als sehr weit verbreitet. Für viele ist nur makellos und absolut gleichförmig akzeptabel. Dies wird auch und gerade auf Handgemachtes angewendet. Ein Mitglied meiner Familie zum Beispiel betrachtet eine von Hand genähte Naht nur dann als gelungen, wenn sie sich optisch nicht von einer Maschinennaht unterscheidet. Auch Strickerinnen grämen sich angeblich, wenn ihr Handgestricktes nicht so aussieht wie ein gekauftes Teil, das maschinell gestrickt wurde. Ich glaube, dass hier die glatte und perfekte, aber seelenlose Maschinenästhetik der sich unendlich wiederholenden gleichen Bewegung zum Nonplusultra erhoben wird. Im Gegensatz dazu wirkt Handgemachtes unregelmäßig, schief, rustikal, minderwertig. Als Kunsthandwerkerin ist es für mich besonders unerfreulich, wenn Mitmenschen so denken. Handgemacht ist natürlich kein Freibrief für Nachlässigkeit und Murks. Fehler müssen korrigiert werden. Aber die kleine Unebenheit hier oder der halbe Millimeter Unterschied da sind Zeugnis eines lebenden Menschen, der am Werk war. Oder in den Worten einer Figur in Tom Sallers Roman 'Ein neues Blau':

"Maschinen leisten Fließbandarbeit, Menschen aber hauchen ihrem Werk Persönlichkeit ein […]. Je unmittelbarer das Einwirken des Individuums, umso beseelter erscheint die Materie."

Stellenweise findet bereits ein Umdenken statt und handgemachte Produkte werden gerade wegen ihrer kleinen Unperfektheiten als charaktervoll und authentisch geschätzt, mit einer Geschichte und Seele, wenn man so will. Dennoch ist es geradezu revolutionär, dass die Jury eines Kunsthandwerkerpreises ein scheinbar misslungenes Werk auszeichnet. Obwohl – welches der beiden Objekte ist denn nun misslungen? Vielleicht ist es ja das Objekt, das stehen geblieben ist und nun im Vergleich etwas steif anmutet, während das im Brennprozess verformte Objekt eine dynamische Linie und interessante Bewegung bekommen hat. Schauen Sie sich die Objekte auf https://www.pohlkemper.de an und entscheiden Sie selbst!

P.S.: Und Ihre Schalen mit 'Insektenbissen' müssen vielleicht auch nicht mehr sofort weg.

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