25/01/2021

Japanische Muster (4)

Traditionelle japanische Muster (wagara) sind nicht einfach nur schön anzusehen, sie haben vor allem Bedeutungen. Welche das sind und welche meiner Bezugspapiere solche Botschaften tragen, das möchte ich in dieser Serie von Blogbeiträgen erforschen.

In Teil 4 geht es um ein Blumenmuster, das aber gar keine Blumen darstellt, sondern die Blüten eines Baumes: die Pflaumenblüte, auf Japanisch

Ume

Das Chiyogami-Muster 'Ume'
Zweimal Pflaumenblüte: Einmal im Detail ('Ume')
Das Chiyogami-Muster 'Pflaumenblüte'
und einmal als Gesamtansicht am blühenden Baum ('Pflaumenblüte').

Mitten im Winter, von Januar bis Ende Februar, blüht Prunus mume, die japanische Pflaume. Dieses eher untypische Blühverhalten hat der japanischen Pflaume seit dem Altertum eine enorme kulturelle Bedeutung beschert, die wie so Vieles in der japanischen Kultur aus China übernommen wurde. Da die Pflaumenblüte so erfolgreich dem Winter trotzt, symbolisiert sie Willensstärke, Durchhaltevermögen und das Überwinden von Schwierigkeiten. Dazu gilt sie auch noch als Glücksbringer. Heutzutage (eigentlich schon seit der Heian-Zeit (794–1185)) wird die Pflaumenblüte allerdings überstrahlt von der noch größeren Begeisterung der Japaner für die zarte und kurzlebige Kirschblüte (sakura).)

Wo es ausgeprägte Jahreszeiten gibt, sind immergrüne Pflanzen und Winterblüher den Menschen schon immer aufgefallen. So auch in China, wo die Pflaumenblüte zusammen mit Kiefer und Bambus zum Motiv der 'Drei Freunde des Winters' zusammengefasst wurde. Dieses Motiv symbolisiert Standhaftigkeit, Ausdauer und Belastbarkeit, was als das Ideal des Gelehrten galt. Auch diese Vorstellung wurde von den Japanern übernommen. Zum einen gibt es die Sage, laut der ein Ume-Baum aus der damaligen japanischen Hauptstadt Kyoto in eine Provinzstadt an der Südspitze Japans geflogen ist, um in der Nähe eines berühmten Gelehrten zu sein, der dort im Exil lebte. Dieser Gelehrte hatte zuvor in einem Gedicht beklagt, wie sehr er eben diesen Baum vermisse. Zum anderen sagt man in Japan, dass die Ume-Bäume dort besonders prächtig blühen, wo fleißige Studenten und Gelehrte wohnen (Quelle). Dazu blühen die Bäume noch zu einer Zeit, in der in Japan die Examensergebnisse bekanntgegeben werden. Kann man sich einen besseren Prüfungs-Glücksbringer vorstellen?
Doch auch nach der Zeit der Examen ist Ume ein Glücksbringer: Die Pflaume schützt vor dem Bösen, das laut japanischer Vorstellung aus dem Nordosten kommt. Und so findet man in japanischen Gärten die Ume-Bäume traditionellerweise in der nordöstlichen Ecke. Auch das Essen der Früchte soll Unglück abwehren. Ob das wohl auch für das Verwenden von Gegenständen mit Pflaumenblüten-Muster gilt?

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